Mit Zahlen umgehen zu können, war in alten Zeiten die Schlüsselkompetenz für ein reiches und sorgenfreies Leben. Vermessungsbeamte in Ägypten hatten bereits einen wichtigen Schritt in diese Richtung vollzogen: Sie konnten mit Zahlen rechnen, die über ein Dutzend hinausgingen und bei einigen Hundert endeten. Rudolf Taschner ergänzt: „So weit musste man rechnen können, um den Bauern die Felder nach den Anzahlen der Klafter, die diese Äcker lang und breit waren, zuteilen zu können. Auch um die Getreidesäcke zählen zu können, welche die Bauern ablieferten.“ Ganz hoch auf der Karriereleiter konnten jene Beamten und Schreiber im alten Ägypten klettern, die sogar über mehrere Hundert, ja über tausend hinaus zu zählen und zu rechnen verstanden. Rudolf Taschner ist Professor an der Technischen Universität Wien. Im Jahr 2004 wurde er zum Wissenschaftler des Jahres gewählt. Seine Bücher wurden vielfach ausgezeichnet.
In den frühen Hochkulturen gibt es nur ein paar Tausend Zahlzeichen
Das Zählen der Ägypter, aber auch das der anderen frühen Hochkulturen wie der Babylonier, der Mayas und der Chinesen endete im Allgemeinen in Größenordnungen von ein paar Tausend. Rudolf Taschner nennt den Grund: „Beamte und Händler brauchten im allgemeinen Geschäft damals – ganz im Unterschied zu heute – nicht an Millionenbeträge zu denken. Und wenn wirklich im wahrsten Sinne des Wortes Unsummen zu bewältigen waren, bündelten die Rechenmeister bestimmte Mengen zu neuen Einheiten.“
Auch die Zahlzeichen der alten Kulturen kommen laut Rudolf Taschner kaum über ein paar Tausend hinaus. Nur zuweilen gibt es Symbole für etwa viel Größeres, das aber zugleich als so gigantisch gedacht wird, dass man es bloß bewundern, aber nicht mehr sinnvoll mit ihm rechnen kann. Das symbolische Zeichen steht einfach für eine Zahl, die jede Vorstellungskraft der damaligen Menschen übersteigt und die vielleicht nur den Göttern zugänglich ist. Heute sind die alten Zahlensymbole nur noch den Experten der Frühgeschichte und der Hochkulturen der Orients und der Antike bekannt.
Im Mittelalter verwendete man in Europa die römischen Zahlzeichen
Zum Allgemeinwissen zählt, wie die Römer die Zahlen bezeichneten. Die römischen Zahlzeichen bestehen aus Buchstaben. Allerdings vermengt mit einer sehr leicht verständlichen Zeichensprache. Rudolf Taschner erklärt: „I ist nicht nur ein Buchstabe, sondern zugleich ein Strich, der für 1 steht. Dass die Römer dann II, III, und IIII für 2, 3 und 4 schrieben, ergibt sich unmittelbar aus dieser Strichsymbolik. Und auch V ist nicht bloß ein Buchstabe – der, nebenbei bemerkt, im alten Rom zugleich für U steht –, sondern zugleich das Symbol einer Hand, bei der die vier Finger und der Daumen voneinander weggestreckt sind, also das Symbol für die Zahl 5.“
Noch im Mittelalter schrieb man in Europa alle Zahlen nur in römischen Zahlzeichen. Lieh sich ein Bürger von einem anderen einen bestimmten Geldbetrag aus, ritzte man die Anzahl der Gulden in ein kleines Brett, das den Namen Kerbholz hatte. Das Wort Zahl selbst hieß im Althochdeutschen dal. Rudolf Taschner ergänzt: „Das englische Wort tell, welches nicht nur erzählen bedeutet, sondern früher auch zählen bedeutete, ist damit verwandt. Das althochdeutsche dal ist sprachverwandt mit dem Wort Delle, denn damals verbanden die Menschen Zahlen mit dem Bild von Kerben, die in Hölzer geritzt wurden und Geldbeträge symbolisierten.“
Von Hans Klumbies