Jede Handlung könnte die letzte im Leben sein

Mark Aurel (121 – 180), römischer Kaiser und Philosoph, erklärt: „Verscheuche jeden anderen Gedanken, und das wirst du können, wenn du jede deiner Handlungen als die letzte deines Lebens betrachtest.“ Wenn es eine einzige Lektion gäbe, die Daniel Klein bis an seinen letzten Tag mit sich tragen möchte, dann wäre es diese. Wenn Mark Aurels Aussage auch noch heutzutage so vertraut klingt, liegt das daran, dass Philosophen und religiöse Denker von alters her mehr oder weniger das gleiche sagen. Daniel Klein erläutert: „Sei jetzt hier. Sei stets achtsam. Lebe in der Gegenwart.“ Daniel Klein, Jahrgang 1939, studierte Philosophie in Harvard. Zusammen mit Thomas Cathcart schrieb er „Platon und Schnabeltier gehen in eine Bar“, das in 26 Sprachen übersetzt wurde.

Manche Menschen driften gerne von der Gegenwart weg

In der modernen Philosophie hat Henry David Thoreau dieses Empfinden so klar und kraftvoll wie kaum ein anderer wieder aufgegriffen: „Du musst in der Gegenwart leben, dich in jede Welle werfen, deine Ewigkeit in jedem Augenblick finden. Der Narr steht auf seiner Insel der Möglichkeiten und hält nach einem anderen Land Ausschau. Aber da ist kein anderes Land; da ist kein anderes Leben als dieses.“ Viele Menschen haben offensichtlich große Schwierigkeiten damit, achtsam in der Gegenwart zu leben. Deshalb verspüren so viele Philosophen das Bedürfnis, diese Botschaft immerfort zu wiederholen.

Beim ersten Hinsehen scheint es gar nicht so schwer, sich voll und ganz auf das Hier und Jetzt einzulassen. Wo ist also das Problem? Daniel Klein stellt fest: „Manche Menschen driften von der Gegenwart weg, indem sie sich etwas Besseres wünschen als das hier und jetzt Existierende.“ Andere driften ins „Und was kommt als Nächstes?“ ab. Ein weiterer, extremer Weg, um das völlige Eintauchen in die Gegenwart zu vermeiden, besteht darin, das ganze Leben als eine Reihe von Vorbereitungsphasen zu betrachten.

Beim Sex lässt sich der Mensch vollständig auf das Hier und Jetzt ein

Das andere Extrem bilden Leute, die nur in der Vergangenheit leben und entweder von Nostalgie oder Reue erfüllt sind, manchmal auch von einer Mischung aus beidem. Dieses Wegdriften von der Gegenwart ist damit verbunden, dass der Mensch die Fähigkeit besitzt, seine Phantasie spielen zu lassen, und dass er ein sehr weiträumiges Gedächtnis hat. Menschen können sich immer ein Leben ausmalen, das anders ist als das tatsächliche; sie können immer Alternativen sehen. Ebenso vermögen sie sich daran zu erinnern, wie das Leben einmal gewesen ist, und es ist anscheinend unwiderstehlich, das immer wieder durchzukauen.

Das menschliche Planen nimmt oftmals einen Großteil des Bewusstseins in Anspruch, vor allem, weil Menschen dazu neigen, ihre Pläne immer wieder zu überdenken. Das ist wie eine endlose Tonspur im Geist. Daniel Klein hegt den Verdacht, dass viele Menschen etwas tief verängstigt bei dem Gedanken daran, voll und ganz in der Gegenwart zu leben. Diese Furcht könnte genau wie der Sigmund Freud`sche Urtrieb, die Libido, ein Grundbestandteil der menschlichen Existenz sein. Daniel Klein stellt fest: „Tatsächlich scheinen diese beiden Phänomene einander zu ergänzen: Sex ist einer der wenigen verlässlichen Momente, in denen wir uns mit Haut und Haar auf das Hier und Jetzt einlassen.“ Quelle: „Immer wenn ich den Sinn des Lebens gefunden habe, ist er schon wieder woanders“ von Daniel Klein

Von Hans Klumbies

Schreibe einen Kommentar