Friedrich Nietzsche philosophiert mit dem Hammer

Die in nur wenigen Wochen von Friedrich Nietzsche verfasste „Götzen-Dämmerung oder wie man mit dem Hammer philosophiert“ lag im November 1888 gedruckt vor und gelangte Ende Januar 1889 in den Buchhandel. Einer der darin enthaltenen Aphorismen lautet: „Auch der Mutigste unter uns hat nur selten den Mut zu dem, was er eigentlich weiß.“ Dass Friedrich Nietzsche hier von sich selbst redet, macht der übernächste Aphorismus wahrscheinlich: „Ich will, ein für alle Mal, Vieles nicht wissen.“ Christian Niemeyer erläutert: „Ein Zusatz, der überraschen muss bei dem neuen Aufklärer Nietzsche und seinem wenig später folgenden vehementen Plädoyer für Rechtschaffenheit.“ Ein Zusatz aber auch, der zum Hintergrund von Friedrich Nietzsches Lob auf die Vergesslichkeit gehört. Der Erziehungswissenschaftler und Psychologe Prof. Dr. phil. habil. Christian Niemeyer lehrte bis 2017 Sozialpädagogik an der TU Dresden.

Die scheinbare Welt ist nicht die einzige

Richtig ernst wird Friedrich Nietzsche aber erst in den folgenden zehn Einzelkapiteln, insbesondere im zweiten namens „Die Vernunft in der Philosophie“ mit der Feststellung: „Alles, was Philosophen seit Jahrtausenden gehandhabt haben, waren Begriffs-Mumien. Es kam nichts Wirkliches Lebendiges aus ihren Händen. […] Der Tod, der Wandel, das Alter ebenso gut als Zeugung und Wachstum sind für sie Einwände – Widerlegungen sogar. Was ist, wird nicht; was wird, ist nicht …“

Friedrich Nietzsche hat hier unter der Hand seinen eigenen Ansatz skizziert. Christian Niemeyer erläutert: „Er will zeigen, wie das Seiende geworden ist und wie das Werdende in Geltung gesetzt werden kann.“ Vorauszusetzen ist dabei, dass das Seiende nicht als metaphysisch verstanden werden darf: „Die scheinbare Welt ist nicht die einzige: die wahre Welt ist nur hinzugelogen …“ Die Konsequenz aus dieser Einsicht zieht Friedrich Nietzsche am Ende dieses Kapitels.

Friedrich Nietzsche kritisiert die Leugnung des Werdens

Der Philosoph mit dem Hammer schreibt: „Von einer anderen Welt als dieser zu fabeln hat gar keinen Sinn. Vorausgesetzt, dass nicht ein Instinkt der Verleumdung, Verkleinerung, Verdächtigung des Lebens in uns mächtig ist. Im letzteren Falle rächen wir uns am Leben mit der Phantasmagorie eines anderen, eines besseren Lebens.“ Friedrich Nietzsches zweiter zentraler Vorwurf gegen die Philosophen hat mit deren Leugnung des Werdens nach folgendem Muster zu tun.

Friedrich Nietzsche kritisiert: „Das Höhere darf nicht aus dem Niederen wachsen, darf überhaupt nicht gewachsen sein … Moral: Alles, was ersten Ranges ist, muss causa sui sein. Die Herkunft aus etwas Anderem gilt als Einwand, als Wert-Anzweifelung.“ Friedrich Nietzsche, der für diese Herkunft aus dem etwas Anderen seit „Menschlich, Allzumenschliches“ den Begriff „Sublimierung“ vorsieht, ersetzt ihn nun durch die Vokabel „Vergeistigung“. Quelle: „Auf die Schiffe, ihr Philosophen!“ von Christian Niemeyer

Von Hans Klumbies