Schon immer suchte der Mensch einen Schutzraum

Der Rückzug von draußen nach drinnen, von der Welt in die Höhle, ist so alt wie die Menschheit. Das Verlassen der vertrauten Baumkronen erzwang die Suche nach einem Schutzraum im Gelände, um nicht wilden Tieren oder feindlich gesinnten Artgenossen ausgeliefert zu sein. Wilhelm Schmid stellt fest: „Vertrauensselig unter Sternen zu schlummern, ist eine moderne Idee, die archaischen Menschen das Leben gekostet hätte. Romantik konnten sie sich nicht leisten.“ Sich auszuruhen war von Anfang an eine gefährliche Angelegenheit. Daher der Rückzug in jede Art von natürlichem Gewölbe, das Schutz bieten konnte. Als Menschen begannen, aus Erde, Gräsern, Stroh, Lehm, Holz und Steinen künstliche Höhlen zu bauen, bildete sich die Form des Hauses heraus. Wilhelm Schmid lebt als freier Philosoph in Berlin.

Mit dem persönlichen Stil des Wohnens entsteht Heimat

Parzellen in immer größeren Häusern wurden schließlich für einige oder einen Einzigen zur Heimat. Wohnlicher werden Wohnungen, wenn die Wände nicht nackt sind. Bereits in urzeitlichen Höhlen wurden sie dekoriert. Anders als in den meisten neuzeitlichen Wohnungen jedoch mit Bildern von eigener Hand. Zur Wohnlichkeit tragen außerdem Gewohnheiten bei, die den Rückzug von den kräftezehrenden Erfordernissen der äußeren Welt erlauben. Rituale des Aufstehens, Essens, Arbeitens, Vergnügens und Zubettgehens strukturieren den Raum.

Wilhelm Schmid erklärt: „Die Wohnlandschaft ist den Bewohnern vollkommen vertraut. Alle Elemente sind so arrangiert, wie es ihnen gefällt, mag es Anderen auch skurril erscheinen. Mit dem ganz persönlichen Stil des Wohnens entsteht Heimat.“ Ganz nach den eigenen Vorstellungen leben zu können, macht diesen Ort so angenehm, „home sweet home“. Aus dem Schutzraum für den Körper wurde im Laufe langer Zeiten ein Wohnraum für die Seele. In diesem können die Menschen sein, wie sie wollen, unverstellt und ungehemmt.

Der schützende Raum genießt besonderen Schutz

Wenn die Welt draußen schon kein gemütlicher Ort ist, soll sie es wenigstens im persönlichen Wohnraum sein. Denn dort herrscht Normalität, die subjektiv als solche empfunden wird. Sie mag langweilig sein, aber sie gewährt die Geborgenheit, nach der diejenigen sich sehnen, die sie etwa bei Krankheit oder in der Fremde entbehren müssen. Nach einem Einbruch in die eigene Wohnung ist das größte Problem der Verlust des Gefühls der Geborgenheit.

Weil der schützende Raum so bedeutsam ist, genießt er selbst besonderen Schutz. Die Unverletzlichkeit der Wohnung ist ein Grundrecht. Auch „Entmietungen“ sind keine Bagatelle, daher bewahrt der Mieterschutz davor, ständig um das Dach über dem Kopf fürchten zu müssen. Wo ist meine Heimat? Wilhelm Schmid antwortet: „Inmitten der Dinge, die zu mir gehören und die ich mitnehme, wenn ich umziehe.“ Jeder nennt Dinge sein Eigen, die für ihn zur natürlichen Ordnung der Welt gehören, manchmal von Kindheit an. Quelle: „Heimat finden“ von Wilhelm Schmid

Von Hans Klumbies