Leben und Wille sind aktive Prinzipien

Der Forschungsgegenstand der Physik war von Anfang an das, was man als „unbelebte Materie“ bezeichnet. Dass das Leben gänzlich anderen Gesetzen folgt, bemerkte schon Isaac Newton. Er schreibt: „Leben und Wille sind aber aktive Prinzipien. Durch diese bewegen wir den Körper. Und aus ihnen erwachsen andere Gesetze der Bewegung, die uns unbekannt sind.“ Seit dem frühen 17. Jahrhundert behaupteten Forscher, dass sich nicht nur die Bewegungen toter Objekte, sondern auch die des Lebens vollständig aus den Prinzipien der Mechanik erklären ließen. Fabian Scheidler erklärt: „Isaac Newton wies jedoch auf die entscheidende Schwäche dieser Auffassung hin. Wenn Lebewesen rein mechanische Apparaturen sind, wie ist dann die Erfahrungstatsache zu erklären, dass wir unseren Körper durch bewusste Entscheidungen bewegen können?“ Der Publizist Fabian Scheidler schreibt seit vielen Jahren über globale Gerechtigkeit.

René Descartes teilte die Welt in zwei Sphären ein

Woher kommt überhaupt die Innenwelt, das Fühlen, Denken und Wollen her, wenn es doch nichts geben soll als die Stöße fester Körper? René Descartes hatte einige Jahrzehnten vor Isaac Newton versucht, dieses Problem zu lösen. Er teilte die Welt in zwei Sphären ein. Nämlich in eine tote, maschinelle Natur auf der einen Seite und den menschlichen Geist auf der anderen. Dieser Geist gebiete, so René Descartes, über den Körper wie Gott über die Schöpfung wie ein König über seine Untertanen.

Tiere waren in dieser Sichtweise nichts als geistlose Automaten. Doch gegen diese Interpretation regte sich von Anfang an heftiger Widerstand in der Forschergemeinde, und zwar von zwei Seiten. Fabian Scheidler erläutert: „Auf der einen Seite versuchten die „Materialisten“ zu beweisen, dass auch der Geist durch die Gesetze der mechanischen Physik und der Chemie restlos erklärbar sei.“ Auf der anderen Seite standen die sogenannten „Vitalisten“.

Der Begriff der Materie hat sich in der modernen Physik radikal gewandelt

Diese sahen nicht nur im Menschen, sondern in allen Lebensformen ein Prinzip am Wert, dass sich nicht auf materielle Ursachen reduzieren ließe. Der Streit zwischen diesen beiden Lagern sollte über Jahrhunderte die Wissenschaften vom Leben durchziehen. Und zwar bis weit ins 20. Jahrhundert. Inzwischen müssen allerdings beide Ansätze als gescheitert betrachtet werden. Der Vitalismus gilt unter heutigen Biologen zu Recht als Sackgasse. Denn er hat wenig mehr zu bieten als zirkuläre, einschläfernde Hypothesen vom Typ „Ein Lebewesen ist lebendig, weil eine besondere Lebenskraft in ihm wirkt“.

Der Materialismus wiederum, der scheinbar triumphiert hat, hat sich bisher als unfähig erwiesen, das zentrale Problem zu erklären. Nämlich die Existenz von Innenwelten, von Bewusstsein. Fabian Scheidler ergänzt: „Erschwerend kommt hinzu, dass sich seit den Revolutionen der modernen Physik der Begriff der Materie radikal gewandelt hat.“ Anstelle von kleinen, festen Körperchen sind im Inneren der Dinge nur fluktuierende Energiebeziehungen zu finden. Diese sprengen vollkommen die menschlichen Vorstellungen von Kausalität und Logik. Quelle: „Der Stoff aus dem wir sind“ von Fabian Scheidler

Von Hans Klumbies