Deutschland braucht eine neue kollektive Identität

Eher links orientierte Intellektuelle und Politiker haben in den vergangenen Jahren einige Vorschläge gemacht, den Verfassungspatriotismus mit klassischen linken Anliegen wie Solidarität und Ökologie anzureichern. Im Jahr 2016 erschien das Buch „Die neuen Deutschen. Ein Land vor seiner Zukunft“ des Professorenehepaars Marina und Herfried Münkler. Sie ist Literaturwissenschaftlerin und hat als solche ausgiebig zum Begriff des „Fremden“ und zur Interkulturalität geforscht. Er ist der wohl bekannteste deutsche Politologe. Seine Bücher über „Die Deutschen und ihre Mythen“, den Ersten Weltkrieg oder zuletzt über den Dreißigjährigen Krieg sind regelmäßig weit oben auf den Bestsellerlisten zu finden. Thea Dorn weiß: „Gleich zu Beginn von „Die neuen Deutschen“ stellt das Autorenpaar fest, es sei in Deutschland höchste Zeit über die eigene Kollektividentität neu nachzudenken.“ Thea Dorn studierte Philosophie und Theaterwissenschaften. Sie schrieb eine Reihe preisgekrönter Romane, Theaterstücke und Essays.

Deutschland ist ein Einwanderungsland

Die deutsche Gesellschaft ist seit längerem nicht mehr biologisch reproduziert. Sondern sie ist auf Zuwanderung angewiesen, so die These der Münklers. Sie räumen ein, dass ein demografisches Schrumpfen ökologisch sinnvoll sein möge. Sie fürchten aber gleichzeitig, dass dieses auf soziale und wirtschaftliche Verwerfungen hinauslaufe. Thea Dorn ist sich nicht sicher, ob sie den zweiten Teil der These unterschreiben würde. Aber letztlich geht es den Münklers um das, was kein Nicht-Verbohrter leugnen kann.

Die Bundesrepublik ist ein Einwanderungsland, auch wenn die Regierung wieder kein Einwanderungsgesetz für nötig hält. Das ambitionierte Projekt, aus Fremden Deutsche zu machen, kann nur dann gelingen, wenn es auf den drei Ebenen von Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft gleichermaßen staatfindet, so die These der Münklers. Der Staat sei an diesem Prozess im administrativen Sinn beteiligt, als regelsetzende und regeldurchsetzende Instanz.

Die Deutschen müssen die Neuangekommenen akzeptieren

Arbeitsgesellschaft und Wirtschaftsleben müssen den neuen Deutschen „Arbeitsethos“ vermitteln. Und zwar als spezifisch deutsche Lebensweise. Selbstverständlich weisen die Münklers darauf hin, dass dieses Ideal von manch alteingesessenen Deutschen wahrlich nicht immer beherzigt wird. Als schwierigsten und wichtigsten Teil des Integrationsprojekts machen die Autoren das „Deutsch-Werden“ in zivilgesellschaftlicher Hinsicht aus. Von der Mehrheitsgesellschaft verlangen die Münklers zunächst einmal die Akzeptanz der Neuangekommenen.

Letzteren geben sie einige Merkmale des Deutschen mit auf dem Weg, die es diesen ermöglichen sollen, in der deutschen Zivilgesellschaft tatsächlich anzukommen. Dazu zählen Leistungswillen, das Vertrauen in die deutsche Solidargemeinschaft, die Überzeugung, dass religiöser Glaube eine Privatangelegenheit ist. Des Weiteren gehört dazu, die Bereitschaft zu akzeptieren, dass die Entscheidung für eine bestimmte Lebensform und die Wahl des Lebenspartners in das individuelle Ermessen eines jeden Einzelnen fällt. Eines der wichtigsten Merkmale ist schließlich das Bekenntnis zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Quelle: „deutsch, nicht dumpf“ von Thea Dorn

Von Hans Klumbies