Das Antikorrekte lebt vom Unterschwelligen

Das Korrekte kennt Übertreibungen, das Antikorrekte lebt vom Unterschwelligen. Der reaktionäre Kampf gegen die politische Korrektheit setzt auf das Unausgesprochene, den Subtext. Denn der insistiert, was viele Konservative zwar denken, aber nicht allzu deutlich formulieren möchten. Der „Gutmensch“ ist gefährlicher als der Brutalo, die Feministin schlimmer als der Diskriminierer oder Belästiger, Antirassisten sind Rassisten. Ihr Antirassismus ist Rassenhass auf weiße Männer. Roger de Weck ergänzt: „Das wirkliche Opfer ist der früher dominante und heute missachtete Mann. Ihm die Führung streitig zu machen, bringt jedoch nicht Gleichstellung, sondern Unfreiheit.“ Emanzipation stürzt die Frauen in einen repressiven Genderwahn, die Afroamerikaner in eine kulturrassistische Gefangenschaft und verzagte Weiße in Trumps Arme. Derlei Botschaften verkünden die wenigsten Reaktionäre und Konservativen rundheraus. Roger de Weck ist ein Schweizer Publizist und Ökonom.

Donald Trump war ein dauerbeleidigter Zwitscherer

Der antikorrekte Gestus dient aber der Tarnung – alles ist gesagt, nichts ausgesprochen. Alles zu verkehren, ist nun einmal das reaktionäre Grundmuster. Durch die rechte Brille gesehen, dreht sich die Welt andersherum: Die Linke schafft Ungleichheit. Grüne Politik legt Waldbrände. Whistleblower decken nicht Missstände auf, sondern sie sind der Missstand. Journalisten sind die eigentlichen Trolle. Wissenschaftler wissen das Falsche. Mehr Schusswaffen bedeuten mehr Sicherheit.

Zum dialektischen Umstülpen der Verhältnisse neigt natürlich auch der ehemalige US-Präsident Donald Trump. Er stellte sich nicht nur selbst als Opfer dar, sondern immerzu auch die Supermacht USA. Gern verspottete auch die Neue Rechte den „Opferdiskurs“ der Frauen, und den „Prestigekampf“ darum, wer am meisten unterdrückt werde. Aber niemand war weinerlicher als der dauerbeleidigte Zwitscherer Donald Trump oder der ewiggekränkte Dresdner Schriftsteller Uwe Tellkamp. Dieser nahm AfD-Anhänger in Schutz und setzte syrische Schutzsuchende herab.

Die Rechtsradikalen beschädigen die offene Gesellschaft

Roger de Weck stellt fest: „Es liegt Arroganz in der grimmigen Larmoyanz, mit der reaktionäre Politiker beklagen, ihnen werde übel mitgespielt. Sie verunglimpfen Widersacher und fordern Respekt.“ Sie rühmen die Meinungsfreiheit, die ihr Ideengeber Viktor Orbán und der in ganz Europa großzügige Geldgeber Wladimir Putin unterdrücken. Gleichzeitig schreien sie, ihre schreiende Meinung werde bloß geduldet, sie sei unerwünscht. Als berge das Recht auf freie Rede auch die Pflicht, jeden Falschmünzer als seriösen Gesprächspartner zu betrachten.

Die Rechtsradikalen beschädigen die offene Gesellschaft und erwarten dennoch mehr Offenheit. Roger de Weck kritisiert: „Das Opfersein schmähen sie, aber sie gerieren sich als Daueropfer.“ Beim Verkehren der Verhältnisse folgen Reaktionäre ihrer antihumanistischen Logik, die den Schluss zieht: „Der Schwache ist schuld.“ Daher der Ekel vor dem politisch Korrekten: vor dieser im Kern banalen Konvention, die umsichtig bis umständlich alle Menschen einbeziehen möchte. Quelle: „Die Kraft der Demokratie“ von Roger de Weck

Von Hans Klumbies