Eine Weltformel gibt es nicht

Die 100 Jahre seit Werner Heisenberg waren in der theoretischen Physik davon geprägt, Relativitätstheorie und Quantentheorie zusammenzuführen. Und zwar zu einer einzigen „Theory of Everything“, die alle Bewegungen von Galaxienhaufen bis zur subatomaren Ebene mathematisch beschreiben könnte. Fabian Scheidler weiß: „Das Ergebnis ist trotz der enormen Forschungsanstrengungen und Investitionen sehr bescheiden. Weder gibt es heute eine solche Theorie noch weiß irgendjemand, ob es sie überhaupt geben kann.“ Es ist verständlich, dass Physiker nach einer Vereinheitlichung verschiedener Theorien suchen. Denn solche Zusammenführungen waren bei Isaac Newton, James Clerk Maxwell und Albert Einstein sehr erfolgreich. Aber für unvoreingenommene Beobachter ist nicht ersichtlich, warum so etwas wie eine „Weltformel“ möglich sein sollte. Der Publizist Fabian Scheidler schreibt seit vielen Jahren über globale Gerechtigkeit.

Das mechanistische Weltbild stürzt ein

Das dem Menschen zugängliche Universum ist aus vollkommen verschiedenen Ebenen und Bereichen aufgebaut, die sich nicht aufeinander reduzieren lassen. Für Fabian Scheidler ist die Idee einer wörtlich verstandenen „Theorie of Everything“ ohnehin ein Wahngebilde. Albert Einstein, Werner Heisenberg und andere haben wiederholt betont, wie wichtig für ihre Forschung die Schönheit relativ einfacher Naturgesetzte war. Doch so fruchtbar der ästhetische Sinn in ihrem Fall war, so kann er auch in die Irre führen. Die Holzwege der Physik sind gepflastert mit schönen, aber falschen Theorien.

Immer wieder meinte man, kurz vor der Lösung aller physikalischen Probleme zu stehen. Lord Kelvin etwa, nach dem die gleichnamige Temperaturskala benannt ist, glaubte um das Jahr 1900, dass die Physik ihr Ende erreicht habe. Doch er täuschte sich sehr. Die Relativitäts- und die Quantentheorie sollte das gesamte mechanistische Weltbild zum Einsturz bringen. Das Universum als Ganzes ist offensichtlich nicht in selbstähnlichen, „fraktalen“ Strukturen aufgebaut.

Stringtheorien dominieren die theoretische Physik

Das macht auch den unerschöpflichen Reichtum und die Schönheit des Universums aus. Auch wenn das nicht unbedingt mit der Schönheit einer Formel korrespondiert. Der Wille zur Weltformel hat in den vergangenen Jahrzehnten einige seltsame Blüten getrieben. Eine davon ist die Stringtheorie, die seit den 1980er-Jahren die theoretische Physik dominiert hat und einen beträchtlichen Teil der Forschungsgelder für sich beansprucht. Die Vorläufer heutiger Stringtheorien waren entwickelt worden, um die Kraft zu beschreiben, die Quarks in den Atomkernen zusammenhält.

Dabei handelt es sich um die sogenannte „starke Wechselwirkung“. Fabian Scheidler erklärt: „Stringtheorien benutzen das zugegebenermaßen schöne Bild von winzig kleinen schwingenden Saiten (strings). Aus diesen soll sich alle Materie beziehungsweise Energie aufbauen. Diese Strings existieren laut Theorie allerdings nicht in einer vierdimensionalen Raumzeit. Sondern sie schwingen in mindestens zehn Dimensionen, von denen sechs „versteckt“ und „eingerollt“ sein sollen. Quelle: „Der Stoff aus dem wir sind“ von Fabian Scheidler

Von Hans Klumbies