Doktor Faustus verkörpert die Universalität

Das Ideal der Vielseitigkeit beziehungsweise des „universellen Menschen“ wurde schon in der Renaissance selbst aufgestellt. Das Ideal eines vollkommenen Menschen war die Kenntnis vieler und verschiedener Disziplinen. Peter Burke erklärt: „Eine berühmte Verkörperung des Universalitätsideals war die Figur des Doktor Faustus.“ Der Protagonist des ursprünglichen „Faustbuchs“ von 1587 hatte eine „unersättliche Gier nach Wissen“. Diese Formulierungen des Universalitätsideals konzentrieren sich auf akademisches Wissen, das zentrale Thema dieses Buchs. Andere Konzepte sind anspruchsvoller und fordern auch Befähigung in der Welt des Handelns ebenso wie in der des Denkens. Ein Kontrast, der seinerzeit oft als einer zwischen „Waffen“ und „Wissenschaften“ beschrieben wurde. Sechzehn Jahre lehrte Peter Burke an der School of European Studies der University of Sussex. Im Jahr 1978 wechselte er als Professor für Kulturgeschichte nach Cambridge ans Emmanuel College.

Universalwissen wird zum Ideal erkoren

Manche Versionen fordern zudem Befähigung in den schönen Künsten. Das Universalitätsideal artikulierte auch Kaiser Maximilian I. in seinem autobiographischen Ritterroman „Weisskunig“. Der Held des Romans wird als jemand dargestellt, der sich auf vielerlei Gebieten auskennt. In der Kalligraphie, den freien Künsten, in der Magie, der Medizin, der Astrologie, der Musik, der Malerei, Bauwesen, Jagd, Kampfeskunst und sogar im Zimmerhandwerk. Außerdem beherrscht er elf Sprachen.

In England geht die Idee des Universalwissens bis ins frühe 16. Jahrhundert zurück, als der Buchdrucker William Caxton einen universellen Mann in fast allen Wissenschaften erwähnte. Das Ideal der Vielseitigkeit formulierte auch Sir Thomas Elyot in „The Book Named Governor (1531). Dabei handelte es sich um eine Abhandlung über die Erziehung männlicher Angehöriger der Oberschicht. Darin erörtert Elyot nicht nur den von ihm so bezeichneten „Kreislauf der Doktrin“, dem die Studenten folgen sollten.

Jakob Burckhardt war ein sehr vielseitiger Mann

Sondern er spricht auch darüber, was seiner Meinung nach einen wahren Gentleman ausmacht. Nämlich die Fähigkeit, Musik zu komponieren, zu malen und sogar zu bildhauern, sowie das Studium akademischer Fächer. Peter Burke stellt jedoch fest: „Mehrere der oben zitierten zeitgenössischen Zeugnisse sind weniger eindeutig, als sie auf den ersten Blick erscheinen mögen.“ Was die Figur des Faust betrifft, so wurde sein unersättlicher Wissensdurst im ursprünglichen „Faustbuch“ als Beispiel für seine intellektuelle Arroganz verurteilt.

Der Doktor Faustus erscheint dort nicht als Held, sondern als warnendes Exempel. Die Missbilligung der Wissbegier durch Theologen wie Augustinus nahm man auch im 16. Jahrhundert noch immer ernst. Jakob Burckhardt selbst war ein sehr vielseitiger Mann. Er schrieb Gedichte, zeichnete, spielte Klavier und lehrte sowohl Geschichte als auch Kunstgeschichte. Als Historiker lehnte es Burckhardt ab, sich auf eine bestimmte Periode zu spezialisieren. Quelle: „Giganten der Gelehrsamkeit“ von Peter Burke

Von Hans Klumbies