Ideen entstehen durch schöpferisches Denken

Schöpferisches Denken durch Kombination kann nicht nur erklären, wie Ideen zustande kommen. Sondern es ist auch ein Schlüssel, um die Entwicklung einer Kultur zu verstehen. Stefan Klein weiß: „Kulturen verändern sich, wenn Menschen mit der Zeit einen immer reicheren Schatz an Wissen und Erfahrungen, Konzepten und Mythen, Techniken und Kunstwerken anlegen.“ Solche Prozesse lassen sich nicht in erster Linie auf die herausragenden Beiträge Einzelner zurückführen. Auch wenn die Leistungen von Persönlichkeiten wie Leonardo da Vinci, Johann Sebastian Bach, Marie Curie oder Albert Einstein spektakulär sind. Der Motor ist vielmehr das kollektive Gehirn. Denn erst das Zusammenwirken einer ganzen Gemeinschaft erzeugt den geistigen Nährboden, auf dem Ideen keimen. Stefan Klein zählt zu den erfolgreichsten Wissenschaftsautoren der deutschen Sprache. Er studierte Physik und analytische Philosophie in München, Grenoble und Freiburg.

Eine Kultur stellt Werkzeuge des Denkens bereit

Einzelne Menschen mögen in die Geschichte eingehen, indem sie Gedanken, welche die Welt verändern, als Erste auf den Punkt bringen. Aber regelmäßig ist dieser Schritt nur der letzte auf einem langen Weg, den andere gebahnt haben. Brillante Köpfe sind, mehr noch als andere, abhängig vom kollektiven Gehirn. Gemeinschaften unterscheiden sich darin, wie viele Ideen sie hervorbringen und dauerhaft in ihrem kollektiven Gehirn verankern. Außer materiellen Erfindungen stellt eine Kultur gedankliche Konzepte bereit – Werkzeuge des Denkens.

Die Unterscheidung von rechts und links, die Zahlen und die Abgrenzung der Farben erscheinen so selbstverständlich, dass viele Menschen sie für angeboren halten. Stefan Klein erklärt: „Tatsächlich haben wir all diese Konzepte gelernt. Wir verdanken sie dem kollektiven Gehirn unserer Gesellschaft.“ Viele Sprachen von Jägern und Sammlern kennen keine Zahlwörter größer als drei. Wer einer solchen Kultur angehört, ist unfähig, 28 von 29 zu unterscheiden.

Auf der Inselwelt Ozeaniens entstanden verschiedene Kulturen

Wie sich das anfühlt, kann man nachvollziehen, wenn man versucht, Farbtöne auseinanderzuhalten, für die unsere Sprache nur ein Wort kennt. Blau etwa gilt im Deutschen und im Englischen als eine einzige Farbe. Das Russische dagegen kennt zwei völlig verschiedene Worte für Blau. „Goluboi“ bezeichnet beispielsweise die zarten Töne des Himmels, „sinii“ das Tiefblau des Meeres. Warum kennen manche Kulturen so viel mehr Konzepte als andere?

Die Inselwelt Ozeaniens bietet ein nahezu perfektes Terrain, um dieses Rätsel zu untersuchen. Denn die Lebensbedingungen auf Tausenden Inseln sind einerseits sehr ähnlich: Fast überall leben die Menschen traditionell vom Fischfang. Andererseits liegen die meisten Inseln so weit voneinander entfernt, dass Nachbarn sich kaum beeinflussen konnten. So entstanden verschiedene Kulturen. Die Unterschiede erinnern an die Verhältnisse vor und nach der zweiten geistigen Revolution vor rund 50.000 Jahren. Quelle: „Wie wir die Welt verändern“ von Stefan Klein

Von Hans Klumbies