Für den Nihilismus hat nichts einen objektiven Wert

Im Allgemeinen ist Nihilismus die Auffassung, dass in Wirklichkeit überhaupt nichts einen objektiven Wert hat. Das gilt nicht einmal für das Leben. Markus Gabriel ergänzt: „Der Nihilismus hält die Wirklichkeit für einen wertneutralen Ort, an dem ein Überlebenskampf der Arten und Individuen tobt. Ein Wert, so der Hauptgedanke des Nihilismus, liegt nur vor, wenn jemand etwas, was an sich keinen Wert hat, wertschätzt.“ Besonders eindringlich wurde dieser Gedanke von Friedrich Nietzsche formuliert. Dieser setzt ihn für seinen groß angelegten Versuch ein. Er will das angeblich christlich-jüdische Wertesystem der von ihm sogenannten „Sklavenmoral“ zugunsten einer neuartigen „Herrenmoral“ entthronen. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

Für Friedrich Nietzsche sind moralische Werte „erfunden“

Friedrich Nietzsche bietet für seine radikale Geste genau genommen ein einziges Argument an. Dieses bringt er in seiner Moralkritik in verschiedenen Spielarten zum Einsatz. Dazu bedient er sich eines Arguments, bei dem es sich letztlich um einen rhetorischen Trick handelt. Markus Gabriel erklärt: „Er setzt voraus, dass Werte nur existieren, wenn es Werturteile gibt, die er als Werterfindungen deutet.“ Doch damit setzt Friedrich Nietzsche voraus, was er beweisen müsste: dass moralische Werte nämlich „erfunden“ sind.

Friedrich Nietzsche leistet dabei keinerlei logisch stabile Überzeugungsarbeit, sondern bedient sich seiner Überredungskunst. Diese war durchaus beeindruckend und wirkmächtig. Das Gute ist weder automatisch nützlich, noch ist das Böse automatisch schädlich, wie Friedrich Nietzsche unterstellt. Markus Gabriel erläutert: „Es kann schließlich sein, dass die Bösen ihr Ziel gar nicht erreichen und vielmehr auf ihrem Weg ungewollt Bedingungen des Guten herstellen.“ Vielleicht gibt es sogar die von Goethe beschworene „Kraft, Die stets das Böse will und stets das Gute schafft“.

Die wahren Motive eines Menschen sind häufig verborgen

Nicht jeder, der einem schaden möchte, schafft dies auch. Aber das bedeutet nicht, wie Friedrich Nietzsche glaubt, dass moralische Werte automatisch einen anderen Wert haben, um den es in Wahrheit geht. Friedrich Nietzsche meint, moralische Werte hätten einen instrumentellen Wert, was eigens zu beweisen wäre, er aber stillschweigend vorausgesetzt. Die Argumentation, die im Hintergrund wirksam ist und sich auf Arthur Schopenhauer stützt, hat freilich einen Anschein von Plausibilität.

Die wahren Motive eines Menschen sind im Akt einer Entscheidungsfindung häufig verborgen. Markus Gabriel stellt fest: „Wenn wir in einer moralisch aufgeladenen Alltagssituation handeln, strengen wir meistens keine komplizierte psychologische Selbsterforschung an, um sicherzugehen, dass wir aus rein moralischen Motiven handeln.“ Deshalb vermutet schon Arthur Schopenhauer, dass die meisten, wenn nicht gar alle menschlichen Handlungen von nichtmoralischen Motiven getrieben werden. Quelle: „Moralischer Fortschritt in dunklen Zeiten“ von Markus Gabriel

Von Hans Klumbies