Mathias Binswanger stellt die Tücken des Marktwettbewerbs vor

Nur wenn der von der ökonomischen Theorie beschriebene Idealfall der sogenannten vollständigen Konkurrenz gilt, führt dies dazu, dass Markt und Wettbewerb zusammentreffen. So wie viele Ökonomen diesen Marktwettbewerb definiert haben, ist dort von einer aktiven Konkurrenz im eigentlichen Sinn allerdings nicht viel zu bemerken. Mathias Binswanger erläutert: „Der Marktwettbewerb erscheint eher als eine sich ewig wiederholende Routine, bei der sich alle Beteiligten brav an die durch den Markt vorgegebenen Preise anpassen.“ In dem sich aus dem Marktwettbewerb unter der Bedingung vollständiger Konkurrenz ergebenden allgemeinen Gleichgewicht sind sowohl die privaten Haushalte als auch die Unternehmen Preisnehmer. Die Marktpreise sind stabil und können durch einen einzelnen Anbieter oder Nachfrager weder erhöht noch gesenkt werden. Mathias Binswanger ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Fachhochschule Solothurn.

Der ideale Marktwettbewerb ist auf der Seite der Anbieter äußerst unbeliebt

Alle Teilnehmer des Marktwettbewerbs sind Preissklaven, was ihnen jedoch gemäß der ökonomischen Theorie Vorteile bringt. Mathias Binswanger erklärt: „Durch die Anpassung des Verhaltens von Anbietern und Nachfragern an die Marktpreise sorgt der Marktwettbewerb für die Wirkung der unsichtbaren Hand des Marktes, sofern auch die übrigen Bedingungen dafür erfüllt sind.“ Allerdings ist es gerade ein Kennzeichen der wirtschaftlichen Entwicklung, dass der Marktwettbewerb mit vielen Anbietern und Nachfragern desselben Produktes nach und nach verdrängt wird.

Mathias Binswanger erläutert, warum der ideale Marktwettbewerb gerade auf der Seite der Anbieter äußerst unbeliebt ist: „Wenn nämlich viele Händler dasselbe Gut anbieten, wird keiner von ihnen zu Wohlstand gelangen.“ Gibt es allerdings nur noch wenige Anbieter und ist der Wettbewerb genügend eingeschränkt, dann wird der Preis vom Parameter zu Variablen und die Anbieter sind nicht mehr auf die Rolle des Preisnehmers beschränkt. Sie können sich jetzt als aktive Preissetzer in Szene setzen, was ihren Handlungsspielraum und ihre Gewinnmöglichkeiten enorm erweitert.

Großunternehmen sind die dynamische Triebkraft des real existierenden Marktwettbewerbs

Je weniger Anbieter es also auf einem Markt gibt, umso besser geht es den verbleibenden Anbietern. Unternehmen verstehen unter Marktwettbewerb die Möglichkeit, die Konkurrenz auszuschalten, um auf diese Weise möglichst eine Monopolstellung zu erreichen. Mathias Binswanger fügt hinzu: „Nur so lassen sich längerfristig hohe Gewinne erzielen. Und es ist dann paradoxerweise der Staat, der mit seiner Monopol- und Kartellgesetzgebung immer wieder dafür sorgen muss, dass der Marktwettbewerb trotzdem noch einigermaßen funktioniert.“

In entwickelten Volkswirtschaften ist es heute kaum noch der Marktwettbewerb bei vollständiger Konkurrenz, den Ökonomen als Wettbewerb wahrnehmen, sondern ein ständiger Wettbewerb der Verdrängung der Anbieter untereinander, um eine Oligopol- beziehungsweise Monopolstellung auf dem Markt zu erreichen. Mathias Binswanger ergänzt: „Man kämpft um Marktanteile und die Erschließung neuer Märkte. Dies macht die Anbieter, die in einer modernen Wirtschaft häufig Großunternehmen sind, zur dynamischen Triebkraft des real existierenden Marktwettbewerbs.“

Von Hans Klumbies