Marcel Fratzscher, der künftige Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hat die Vision von Europa, dass eines Tages alle 27 EU-Länder dem Euro angehören werden. Er sagt: „Langfristig wäre es schon mein Wunsch, dass alle Länder, die der EU beitreten, auch den Euro einführen.“ Aber genau dies sieht der EU-Vertrag ohnehin vor. Also hält Marcel Fratzscher seine Vorstellung auch nicht für besonders originell. Er ist allerdings fest davon überzeugt, dass der Euro der richtige Weg für die Integration in Europa ist. Die Frage ist seiner Meinung nach nur, wie man ihn beschreitet und wie man sicherstellt, dass er von Erfolg gekrönt ist. Ab Februar 2013 soll der Ökonom Marcel Fratzscher, der in Kiel, Oxford, Harvard und Florenz studiert hat, das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) leiten.
Lettland und Litauen wollen weiterhin der Währungsunion beitreten
Marcel Fratzscher kritisiert, dass bei der Geburt des Euro viele wichtige Weichenstellungen versäumt wurden. So hätten seiner Meinung nach die Finanzmärkte stärker zusammenwachsen müssen. Auch die Bankenunion hätte schon viel früher kommen müssen. Der zukünftige DIW-Chef fügt hinzu: „Und natürlich wurde es nicht geschafft, bestehende Regeln wie die im Stabilitäts- und Wachstumspakt glaubwürdig durchzusetzen. Es war kein Fehler den Euro einzuführen – aber es war ein Fehler, die vielen Dimensionen einer Währungsunion nicht stärker zu berücksichtigen und umzusetzen.“
Für Marcel Fratzscher war es auch nicht unbedingt ein Fehler, den Euro vom Start weg in so vielen Ländern einzuführen, da es die Konvergenzkriterien gibt, die sicherstellen sollen, dass ein Land reif für den Euro ist und dass Europa als ein einheitlicher Währungsraum zusammenwächst. Als sehr gutes Zeichen bezeichnet Marcel Fratzscher die Tatsache, dass Länder wie Lettland oder Litauen weiterhin der Währungsunion beitreten wollen, und dies sogar jetzt in dieser für Europa so schwierigen Zeit.
Die Europäer müssen eine langfristige Vision für Europa entwickeln
Marcel Fratzscher teilt nicht die Ansicht einiger Ökonomen, dass der Euro zum Untergang verurteilt ist. Ganz im Gegenteil, er ist überzeugt davon, dass es den Euro in zehn und auch in Hundert Jahren noch gegen wird. Er nennt einen Grund für seine Überzeugung: „Für mich ist es ein wichtiges Signal, dass der Euro während der Krise so stabil geblieben ist. Gegenüber anderen wichtigen Währungen wie dem Dollar ist er fair bewertet. Das ist ein Zeichen dafür, dass die Investoren nicht nur in Europa, sondern weltweit an das Überleben des Euro glauben.“
Der künftige DIW-Chef streitet allerdings nicht ab, dass es natürlich Kapitalabflüsse aus den Euro-Krisenländern gegeben hat. Aber das sind für ihn nur größere Umschichtungen innerhalb des Euro-Raums, von denen Deutschland nicht nur Kosten, sondern auch Vorteile hat. Denn die große Nachfrage nach deutschen Anleihen lässt laut Marcel Fratzscher die Refinanzierungskosten für den Staat und die Unternehmen sinken. Ganz wichtig ist es für den Ökonomen, dass die Europäer endlich eine langfristige Vision für Europa entwickeln.
Von Hans Klumbies