Manche Risiken sind unberechenbar

Jonathan Aldred stellt fest: „Manche Risiken haben zwei Merkmale, die es sehr viel schwieriger machen, mit ihnen fertig zu werden. Erstens: reine Ungewissheit. Zweitens: das Potenzial einer Katastrophe.“ Dabei handelt es sich nicht nur um eine negative, sondern um eine qualitativ andersartig negative Entwicklung. Diese führt in vielen Fällen zu unumkehrbaren Schäden oder Verlusten. Oder es kommt zu einem Zusammenbruch der zugrunde liegenden Systeme, Organisationen oder Bezugssysteme, innerhalb derer man Entscheidungen trifft. Vermutlich weisen sowohl die Klimaveränderung als auch globale Finanzkrisen diese beiden Merkmale auf. Wenn es um solche Risiken geht, ist das traditionelle ökonomische Denken fahrlässig. Jonathan Aldred ist Direktor of Studies in Ökonomie am Emmanuel College. Außerdem lehrt er als Newton Trust Lecturer am Department of Land Economy der University of Cambridge.

Die Zukunft hat immer Überraschungen parat

Denn dieses gewohnte Denken fordert, Nutzen minus Kosten präzise zu maximieren und die verfügbaren Mittel zum Zweck aggressiv und effizient einzusetzen. Stattdessen muss die alles beherrschende Priorität sein, die Katastrophe zu verhindern. Jonathan Aldred erklärt: „Wir brauchen Stabilität und Sicherheit statt Maximierung und Effizienz. In der Natur wird diese Priorität in vielen Fällen durch das Gegenteil von Effizienz befolgt, nämlich durch Redundanz. So hat zum Beispiel der Mensch zwei Nieren statt nur eine.“

In politischen und rechtlichen Zusammenhängen ist diese Einstellung als „Vorsorgeprinzip“ bekannt. Generell empfiehlt dieses Prinzip, an praktische Entscheidungen mit einer Haltung heranzugehen, die sich auf Stabilität, Sicherheit und das Treffen von Vorsorgemaßnahmen konzentriert. Dabei kommt es vor allem darauf an, sich dessen bewusst zu sein, was man nicht weiß und dass die Zukunft wahrscheinlich Überraschungen mit sich bringen wird. Diese alternativen Vorgehensweisen, an Risiken heranzugehen, lehnt die dominante Orthodoxie ab.

Die meisten Wahrscheinlichkeiten sind unbekannt

Die meisten Wahrscheinlichkeiten kennt die Menschheit einfach nicht. Und selbst wenn sie bekannt wären, würde das wenig nützen, wenn man nicht eine gute Vorstellung davon hätte, auf was sich diese Wahrscheinlichkeiten eigentlich beziehen. Jonathan Aldred blickt zurück: „Im Gegensatz zu dem Gouverneur der Bank of England erwarteten viele Menschen im Sommer 1914 völlig zutreffend, dass es wahrscheinlich zu einem Krieg kommen würde. Doch das spielte kaum eine Rolle, weil niemand ahnte, dass dieser Krieg noch nie dagewesene Dimensionen erreichen würde.“

Anders ausgedrückt: Man kann keine Pläne machen, um das Risiko von Katastrophen zu reduzieren, wenn man sich nicht darüber einig ist, was als Katastrophe zählt. Jonathan Aldred rät: „Wir müssen uns die Frage stellen: Was ist uns am Wichtigsten? Und im Fall der Klimaveränderung auch: Was wird zukünftigen Generationen am Wichtigsten sein?“ Es liegt auf der Hand, dass diese Fragen außerhalb der Domäne einer jeden Wissenschaft der Gesellschaft liegen. Quelle: „Der korrumpierte Mensch“ von Jonathan Aldred

Von Hans Klumbies