Der Hass ist das Gegenteil der Liebe

Band 25 des Philosophicums Lech handelt von einem elementaren Gefühl: dem Hass. Negative Gefühle gibt es viele, aber nur dem Hass kann man scheinbar nichts Positives abgewinnen. Er ist der einzige Affekt, der generell als unzulässig erachtet wird. Konrad Paul Liessmann erklärt: „Es geht nur noch darum, wie wir ihn eindämmen, neutralisieren, entschärfen, zurückdrängen und bekämpfen können.“ Anders als Wut und Zorn ist Hass in hohem Maße auf Verbalisierung und Aktionismus angewiesen. Dem Hass könnte man allenfalls entgehen, wenn man seine moralischen Überzeugungen immer wieder in Frage stellt. Konrad Paul Liessmann betont: „Den Hass zu neutralisieren wird nur gelingen, wenn uns klar wird, wie tief wir in dieses Gefühl gerade dann verstrickt sind, wenn wir uns frei davon wähnen.“

Der Selbsthass ist die schlimmste Form des Hasses

Für den Psychiater und Psychotherapeuten Reinhard Haller gehört der Hass zur Grundausstattung der menschlichen Gefühlswelt. Mehrheitlich beschreibt man den Hass als aggressive Emotion, als berechnende Destruktion, als Trieb zum Tod. Alle Forscher sind sich einig: Hass ist das Gegenteil der Liebe. Neben dem Hass auf andere gibt es auch den Selbsthass. Reinhard Haller weiß: „Selbsthass ist die schlimmste Form des Hasses, weil hier hassende und gehasste Person in einem Wesen vereint sind und es deshalb kein Entrinnen gibt.“

Die Philosophieprofessorin Ingrid Vendrell Ferran erläutert, warum es so schwierig ist, das Gefühl des Hasses zu beenden. Dann der Hass ist hartnäckig und kann einen Menschen bis zu seinem Tod begleiten. Ingrid Vendrell Ferran stellt fest: „Aufgrund der Tatsache, dass Hass eine Gemütsbewegung ist, die lange andauert, ist es sehr schwierig, ihn zu verändern und zu verwandeln.“ Viele Strategien mit negativen Gefühlen umzugehen, sind aufgrund der strukturellen Eigenschaften des Hasses erfolglos.

Selbst in Zeiten des Hasses sind großartige Debatten möglich

Svenja Flaßpöhler, Chefredakteurin des Philosophie Magazins, beschreibt in ihrem Beitrag den Umgang mit dem Hass: „Trotze dem Hass, indem du nicht versteinerst, zu Totem wirst. Trotze dem Hass, indem du berührbar und offen bleibst auch für die, die dich hassen.“ Die Ader der Lebendigkeit eines Menschen ist seine Sensibilität. Sie gilt es zu bewahren. Wenn man das schafft, ist man von innen geschützt. Die Angst vor dem Hass zu überwinden ist eine wesentliche Voraussetzung einer funktionierenden, im besten Sinn streitlustigen Öffentlichkeit.

Der Professor für Medienwissenschaft, Bernhard Pörksen, zeigt, dass selbst in Zeiten des Hasses, die Kunst des Miteinander-Redens nicht verloren geht. Die Wiederkehr großer, elektrisierender, im besten Sinne utopischer Debatten könnte die untergründig längst spürbare Zukunftsunruhe in konstruktivere Bahnen lenken. Bernhard Pörksen erläutert: „Den derartige Debatten würden doch immerhin eines signalisieren: Es gibt sie, die Anstrengung des Denkens, die sich dem Problemdruck und den globalen Herausforderungen der Gegenwart gewachsen zeigen will.“

Der Hass
Anatomie eines elementaren Gefühls
Konrad Paul Liessmann (Hg.)
Verlag: Zsolnay
Broschierte Ausgabe: 252 Seiten, Auflage: 2023
ISBN: 978-3-552-07345-6, 26,00 Euro

Von Hans Klumbies

1 Gedanke zu „Der Hass ist das Gegenteil der Liebe“

  1. .. interessant ist ja auch die wissenschaftliche Erkenntnis, dass religiöse Länder weniger Friedlich sind als säkulare – erforscht von Victoria Rationi in „Das Religionsparadox“ …

    Moritz

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