Über die Globalisierung wird gestritten

Die Globalisierung steht im Mittelpunkt der Wirtschaftskrise Amerikas. Joseph Stiglitz stellt fest: „Einerseits machen Globalisierungskritiker sie für die missliche Lage der amerikanischen Mittelschicht verantwortlich.“ Diese Kritik an der Globalisierung stieß auf enorme Resonanz, insbesondere in den Regionen, die von der Deindustrialisierung betroffen sind. Dagegen behaupten die Befürworter der Globalisierung, all dies sei reiner Unsinn. Amerika habe von ihr profitiert. Eine protektionistische Politik gefährde die Wohlstandsgewinne durch den freien Handel. Letztlich, so sagen sie, werde Protektionismus nicht einmal denjenigen helfen, die ihre Arbeitsplätze im Zuge der Globalisierung verloren haben oder massive Lohneinbußen hinnehmen mussten. Sie selbst, die Vereinigten Staaten insgesamt und die ganze Welt würden schlechter dastehen. Joseph Stiglitz war Professor für Volkswirtschaft in Yale, Princeton, Oxford und Stanford. Er wurde 2001 mit dem Nobelpreis für Wirtschaft ausgezeichnet.

Die Industrieländer zogen die Entwicklungsländer über den Tisch

Die Anhänger der Globalisierung machen etwas anderes für die Deindustrialisierung und die amerikanische Malaise verantwortlich. Schuld an Arbeitsplatzverlusten und niedrigen Löhnen für gering qualifizierte Arbeitnehmer sei der technische Fortschritt, und die Globalisierung würde fälschlicherweise angeklagt. Joseph Stiglitz kritisiert seit über 20 Jahren die Art und Weise, wie man die Globalisierung gestaltete – aber aus einer ganz anderen Perspektive. Von seinem Blickwinkel als Chefvolkswirt der Weltbank aus war es offensichtlich, dass die globalen Spielregeln „gezinkt“ waren.

Sie waren allerdings nicht gegen, sondern zugunsten der Vereinigten Staaten und anderer Industrieländer formuliert. Die Kosten mussten die Entwicklungsländer tragen. Die Handelsabkommen waren unfair – sie begünstigten Erstere und benachteiligten Letztere. Die Idee, die Unterhändler der reichen Industrielänger seien über den Tisch gezogen worden, ist für Joseph Stiglitz nur lachhaft. Bei den Handelsgesprächen Ende des 20. Jahrhunderts konnten sie fast alle ihre Forderungen durchsetzen.

Die Handelsabkommen dienten den Unternehmen

Gegen den Widerstand der Entwicklungsländer erreichten sie einen starken Schutz geistiger Eigentumsrechte. Von diesem profitierte das geistige Eigentum der fortgeschrittenen Länder, nicht das der Entwicklungsländer. Joseph Stiglitz weiß: „Wir haben Länder dazu gezwungen, ihre Märkte für unsere Finanzdienstleister zu öffnen. Und sogar den Handel mit hochriskanten Derivaten und anderen Finanzprodukten, die maßgeblich zum Zusammenbruch des eigenen Finanzsystems beitrugen, zuzulassen.“

Es stimmt jedoch auch, dass man amerikanische Arbeitnehmer benachteiligte. Insbesondere die Löhne von Geringqualifizierten sanken, auch wegen der Globalisierung. Aber dies ist teilweise darauf zurückzuführen, dass die amerikanischen Unterhändler das bekamen, was sie wollten. Das Problem war die Art und Weise, wie sie die Globalisierung gestalteten und ihre Prioritäten setzten. Die Handelsabkommen dienten schlichtweg den Unternehmen und gingen auf Kosten der Arbeitnehmer in Industrie- und Entwicklungsländern. Joseph Stiglitz kritisiert: „Wir haben nicht getan, was wir hätten tun sollen, um jenen Arbeitnehmern zu helfen, denen die Globalisierung schadete.“ Quelle: „Der Preis des Profits“ von Joseph Stiglitz

Von Hans Klumbies