Die Verhaltensökonomie wird breit diskutiert

Eine in den vergangenen Jahren breit diskutierte Entwicklung der Ökonomik war das Entstehen der Verhaltensökonomie. Im Wesentlichen beschäftigt sie sich mit der Frage, wie der Mensch sich tatsächlich verhält. Dies geschieht im Gegensatz zu Fantasien wie dem Homo oeconomicus, von denen die orthodoxe Ökonomik dominiert wird. Jonathan Aldred erklärt: “Die Verhaltensökonomik greift auf Konzepte und Verfahren der Psychologie zurück. Und es waren die beiden Psychologen Daniel Kahneman und Amos Tversky, die vielleicht mehr als jeder andere getan haben, um eingefahrene Lehrmeinungen der Ökonomik zu der Thematik, wie wir denken und entscheiden, infrage zu stellen. Jonathan Aldred ist Direktor of Studies in Ökonomie am Emmanuel College. Außerdem lehrt er als Newton Trust Lecturer am Department of Land Economy der University of Cambridge.

Verdrängung ist keine ärgerliche Anomalie

Die Entscheidungsprozesse eines Menschen werden dadurch beeinflusst, wie man die Alternativen darstellt. Für orthodoxe Ökonomen ist dies eine schockierende Neuigkeit. Erstens erreichten Daniel Kahneman und Amos Tversky, dass Ökonomen wesentlich aufgeschlossener für die Möglichkeit sind, dass Anreize kontraproduktiv wirken können. Vor ihnen waren die Belege für Verdrängungseffekte und die Möglichkeit, dass Anreize nach hinten losgehen können, ein riesiges Ärgernis für Ökonomen.

Als genug belastbare Belege für das Phänomen Verdrängung zusammengekommen waren, um sie noch länger zu ignorieren, blieb als einziger Ausweg, solches Verhalten als „irrational“ zu bezeichnen. Ein schwacher, aber zutreffender Einwand, wenn man als „rational“ definieren will, was der Homo oeconomicus tun würde. Daniel Kahnemans und Amos Tverskys entscheidende Leistung war, eine komplette Theorie der Irrationalität zu entwickeln. Dadurch retteten sie das Phänomen Verdrängung vor dem Schicksal, eine ärgerliche Anomalie zu sein. Heute ist sie lediglich eine weitere von diversen Arten „irrationalen“ menschlichen Verhaltens.

Menschen treffen schlechte Entscheidungen

Jonathan Aldred stellt fest: „Zweitens sahen Ökonomen in der von Daniel Kahneman und Amos Tversky entdeckten Framing-Effekten eine Erklärung dafür, dass Anreize in manchen Fällen kontraproduktiv sind und in anderen nicht.“ Anreize, die identisch sind, soweit es die ökonomische Theorie betrifft – ein gleicher Geldbetrag beispielsweise –, können unterschiedliche Ergebnisse produzieren, je nachdem, wie man sie beschreibt oder darstellt. Drittens schien die Tatsache, dass die Existenz von kontraproduktiven Anreizen akzeptiert worden war, es notwendig zu machen, eine andere Grundlage für politische Entscheidungen zu finden.

Aber als die neu entstandene Verhaltensökonomik begann, auch in politischen Kreisen bekannter zu werden, passierte etwas Seltsames. Die zentrale Lektion der Verhaltensökonomik besteht darin, dass Menschen schlechte Entscheidungen treffen – doch die politischen Innovation, die sie provozierte, beruft sich auf genau solche schlechten Entscheidungen, um erwünschte Ergebnisse herbeizuführen. Willkommen in der seltsamen Welt von „Nudge“. Quelle: „Der korrumpierte Mensch“ von Jonathan Aldred

Von Hans Klumbies