Jonathan Aldred erklärt das Prinzip „Nudge“

Echte Menschen verhalten sich anders als der sogenannte „homo oeconomicus“. Beschrieben hatten das der Ökonom Richard Thaler und der Anwalt Cass Sunstein Jonathan 2008 in ihrem Buch „Nudge“. Der Mensch wägt nicht alle relevanten Aspekte gegeneinander ab und fällt nicht sorgfältig die „optimale“ Entscheidung. Sondern er lässt sich von Faustregeln, Intuition, spontanen Impulsen und Trägheit leiten. Jonathan Aldred betont: „Die zentrale Idee hinter Nudge ist, dass wir diese Kräfte, anstatt sie zu bekämpfen, nutzen sollten.“ Damit kann man die Menschen zu den Entscheidungen, die sie treffen wollen, hinführen – sie zu den Entscheidungen „schubsen“. Der homo oeconomicus würde sich ähnlich entscheiden. Jonathan Aldred ist Direktor of Studies in Ökonomie am Emmanuel College. Außerdem lehrt er als Newton Trust Lecturer am Department of Land Economy der University of Cambridge.

In etwa 130 Ländern setzt man heute Nudge-Strategien ein

Auf den ersten Blick sah Nudge wie eine flüchtige Modeerscheinung aus, lediglich wie die neueste Idee der Politikberater. Aber sie verschwand nicht. In etwa 130 Ländern setzt man heute Nudge-Strategien ein. Richard Thaler gewann 2017 den Wirtschaftsnobelpreis. Enthusiasten verweisen fast immer auf ein und dieselbe politische Maßnahme, um den Nudge-Ansatz zu illustrieren, seine große Erfolgsstory. Nämlich auf die automatische Beitrittserklärung zu betrieblichen Altersvorsorgeprogramme.

Jonathan Aldred weiß: „Eine Betriebsrente hat im Vergleich zu anderen Formen der Altersvorsorge zwei große Vorteile: Steuervergünstigungen und Arbeitgeberbeiträge. Trotzdem unterlassen es viele Arbeitnehmer, der betrieblichen Altersvorsorge ihres Arbeitgebers beizutreten.“ Diesen Umstand führte man lange auf schlichte Trägheit zurück. Es ist einfacher, nichts zu tun, als sich Gedanken darüber zu machen, was genau man tun sollte, wie viel man einzahlen will und so weiter. Und zwar nicht zuletzt deshalb, weil solche Entscheidungen unerfreuliches Grübeln über finanzielle Ungewissheit und den eigenen Lebensabend auslösen.

Nudge hat sich als sehr beliebt erwiesen

Um dieses Problem zu lösen, schlugen Cas Sunstein und Richard Thaler eine kleine Änderung vor, einen sanften „Stups“. Warum sollte man es nicht für neu eingestellte Arbeitnehmer beim Ausfüllen des Personalfragebogens zur Standardantwort machen, dem Rentenplan des Arbeitgebers beizutreten und einen angemessenen Monatsbeitrag zu leisten? Diejenigen, die das nicht wollen, können sich ja immer noch aktiv dagegen entscheiden. Es hat sich gezeigt, dass solche kleinen Änderungen bei fast allen Entscheidungen, die man trifft, möglich sind.

In einer Schul- oder Firmenkantine können beispielsweise gesunde Speisen auffällig und attraktiv präsentiert werden, während die weniger gesunden Optionen buchstäblich unterm Tresen bleiben. Und so ist es kein Wunder, dass Nudge sich bei Politikern jeglicher Couleur als sehr beliebt erwiesen hat. Erwünschte gesellschaftliche Entwicklungen kann man in die Wege leiten, ohne dass man plumpe finanziellen Anreize oder Zwang durch Gesetze und Vorschriften einsetzen muss. Quelle: „Der korrumpierte Mensch“ von Jonathan Aldred

Von Hans Klumbies