Katzen sind sehr betörend

Ein gewichtiger Grund, warum Menschen Katzen in ihren Häusern akzeptierten, ist, dass die Katzen die Menschen lehrten, sie zu lieben. Das ist die wahre Basis der Haustierwerdung von Katzen. John Gray erläutert: „Katzen sind so betörend, dass oft geglaubt wurde, sie seien nicht von dieser Welt. Und Menschen brauchen noch etwas anderes als nur die menschliche Welt, um nicht verrückt zu werden.“ Der Animismus, die älteste und universalste Religion, befriedigte dieses Bedürfnis, indem er nichtmenschliche Tiere als den Menschen spirituell ebenbürtig, ja überlegen anerkannte. Durch Anbetung dieser anderen Geschöpfe waren die Vorfahren der heutigen Menschen in der Lage, mit einem Leben jenseits ihres eigenen zu interagieren. John Gray lehrte Philosophie unter anderem in Oxford und Yale. Zuletzt hatte er den Lehrstuhl für Europäische Ideengeschichte an der London School of Economics inne.

Katzen sind überaus anpassungsfähig

Seit sie die Menschen domestiziert haben, sind Katzen nicht mehr darauf angewiesen, für ihre Ernährung auf die Jagd zu gehen. Doch Katzen sind von Natur aus Jäger, und wenn sie von Menschen keine Nahrung erhalten, kehren sie rasch wieder zu einem Leben als Jäger zurück. Elizabeth Marshall Thomas schreibt in ihrem Buch „Das geheime Leben der Katzen“: „Bei der Geschichte der Katzen geht es in der Hauptsache um Fleisch.“ Ob groß oder klein, Katzen sind Hyper-Karnivoren.

John Gray weiß: „In freier Wildbahn fressen sie nur Fleisch. Daher sind Großkatzen heute so gefährdet.“ Das Wachstum der Weltbevölkerung führt dazu, dass sich die Siedlungen der Menschen ausdehnen und dass die natürlichen Areale schrumpfen. Katzen sind zwar überaus anpassungsfähige Geschöpfe, die im Dschungel wie auch in der Wüste, im Gebirge wie auch in der offenen Savanne leben können. Aus evolutionärer Sicht waren sie extrem erfolgreich.

Katzen brauchen Fleisch zum Leben

Sie sind aber auch extrem gefährdet. Wenn ihre Lebensräume und Nahrungsquellen bedroht sind, zwingt man sie zu Konflikten mit Menschen, die sie nur verlieren können. John Gray stellt fest: „Beutetiere zu jagen und zu töten ist Katzen angeboren, und wenn Kätzchen spielen, spielen sie im Grunde jagen. Katzen brauchen Fleisch zum Leben. Sie können lebenswichtige Fettsäuren nur verdauen, wenn diese im Fleisch anderer Tiere enthalten sind.“

Das fleischlose Leben des moralisierenden Philosophen wäre für Katzen der Tod. Wie Katzen jagen, sagt viel über sie aus. Abgesehen von Löwen, die in Rudeln jagen, jagen Katzen allein, indem sie – oft bei Nacht – sich an ihre Beute heranpirschen und ihr auflauern. Als Beutegreifer aus dem Hinterhalt haben Katzen in der Evolution die Fähigkeit entwickelt, bei der Verfolgung kleinerer Beutetiere flink und gewandt zu springen und zuzuschlagen. Wölfe dagegen, die evolutionären Vorfahren der Hunde, jagen größere Beute in Rudeln, die durch Beziehungen von Dominanz und Unterordnung zusammengehalten werden. Quelle: „Katzen und der Sinn des Lebens“ von John Gray

Von Hans Klumbies