Die Revolution hat ihre Gegner

Anfangs war der Gedanke der „Brüderlichkeit“ in der Französischen Revolution frei von jeder Aggressivität. Der Revolutionär will den neuen, den besseren Menschen schaffen, der sich die Ziele der Revolution zu eigen macht. Deshalb arbeitet er in einer gemeinsamen Brüderlichkeit auf den Umsturz mit den Methoden der Revolution hin. Paul Kirchhof weiß: „Doch diese Revolution hat ihre Gegner: den König und sein Gefolge, die Aristokraten, das Feudalsystem, den hohen Klerus, schließlich alle Andersdenkenden.“ Dadurch wird die „Brüderlichkeit“ zu einem ausgrenzenden Begriff: „Jeder Franzose ist heute euer Bruder, bis er sich offen als Verräter am Vaterland erweist. Da die Aristokraten kein „Vaterland“ hätten, seien sie von vornherein vom Kreis der Brüder ausgenommen. Dr. jur. Paul Kirchhof ist Seniorprofessor distinctus für Staats- und Steuerrecht an der Universität Heidelberg.

Die „Verbrüderung“ ist ein Mittel der Ausgrenzung

Es gibt in der Französischen Revolution nur „Brüder“ oder „Feinde“. Dieses Bild des Feindes braucht der Revolutionär, um seinen Anhängern die schreckliche Bedrohung vor Augen zu führen, die der Umsturz abwehren soll. Der Feind bildet das Gegenbild, das die Revolutionäre eint und ihr Vorhaben festigt. So wird der integrierende Gedanke der „Verbrüderung“ zu einem Mittel der Ausgrenzung. Er teilt die Menschen in Zugehörige und Fremde, in Gute und Böse auf und formt sie zu Gruppen, die den „Verräter“ entlarven und letztlich töten.

Brüderlichkeit fordert Gewalt, entwickelt sich zum Brüderlichkeitsterror, führt auf die Guillotine. Paul Kirchhof stellt fest: „Die „Brüderlichkeit“ ist deswegen in keiner der nachrevolutionären Verfassungen ein Kernbestand.“ An ihre Stelle tritt die Sicherheit, die im Zusammenwirken mit der Freiheit und Gleichheit vor drei Feinden schützt. Erstens vor übelwollenden Bürger, die vor allem durch Straftaten andere bedrohen. Zweitens vor staatlichen Amtsträgern, deren Willkür durch eine gute Verfassung gebannt werden muss.

Der Staat sorgt für innere und äußere Sicherheit

Und drittens vor dem auswärtigen Feind, gegen dessen Angriffe die eigene Armee verteidigt. Schon damals klingt im Gedanken der Sicherheit auch ein Schutz vor Armut, Krankheit und Arbeitslosigkeit mit. Die Idee der „Brüderlichkeit“ bezieht man heute in die Sicherungsaufgaben – den Ursprung aller Staatlichkeit – ein. Im Verfassungsstaat meint er vor allem die soziale Verantwortlichkeit und die demokratische Gleichheit. Der Staat wird gegründet, um dem Menschen innere und äußere Sicherheit in Freiheit zu gewährleisten.

Er organisiert die wirtschaftliche und soziale Sicherheit in einem System der Vorsorge für Alter, Krankheit, Arbeitslosigkeit und Pflegebedürftigkeit. Er formuliert ein soziales Staatsziel, das auf eine Sicherung der existenziellen, kulturellen und rechtlichen Existenzgrundlagen für jedermann drängt. Das Ziel der Angleichung der Lebens- und Erwerbschancen sowie der Güterverteilung bleibt ein stets unvollendeter Auftrag. Diese „Sicherheit“ betrifft alle. Jeder freie Mensch trägt zur Sicherheit bei, indem er die öffentliche Ordnung und Sicherheit nicht stört und möglichst sein Leben und seine Freiheitsentfaltung aus eigener Kraft gestaltet. Quelle: „Beherzte Freiheit“ von Paul Kirchhof

Von Hans Klumbies