Lernen ist die Veränderung von Wissen, Gewohnheiten, Vorlieben et cetera aufgrund von Erfahrungen. Allgemein bekannt und überaus bedeutsam ist das Lernen am Modell: Man lernt Verhaltensweisen, die man anderen abschaut. Hans-Peter Nolting stellt fest: „Leider beobachten manche Menschen in ihrer Umwelt sehr viele aggressive Modelle: Eltern machen vor, dass man sich bei einer Meinungsverschiedenheit heftig beschimpft, Mitschüler zeigen, wie man andere lächerlich macht, und in Filmen sind mitunter extreme Gewalthandlungen zu sehen.“ Selbstverständlich folgt auf die Beobachtung nicht automatisch eine Nachahmung. Zum einen beobachtet jeder Mensch zugleich ganz andersartige, darunter sehr friedfertige und konstruktive Verhaltensweisen, zum anderen ist längst nicht jeder Beobachter motiviert, das beobachtete Verhalten zu imitieren. Dr. Hans-Peter Nolting beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem Themenkreis Aggression und Gewalt, viele Jahre davon als Dozent für Psychologie an der Universität Göttingen.
Menschen lernen aus Erfolgen und Misserfolgen
So haben die meisten Menschen schon vielfach in Filmen gesehen, wie man einen Menschen töten kann, ohne die geringste Tendenz zur Nachahmung zu verspüren. Hans-Peter Nolting ergänzt: „Doch solche Relativierungen der Modellwirkung ändern nichts an der Tatsache, dass hochaggressive Menschen meist in Milieus aufgewachsen sind, in denen ihnen häufig aggressive Verhaltensmuster vorgelebt wurden.“ Weiterhin lernen Menschen aus den Effekten ihres Tuns, sie lernen aus den Erfolgen und Misserfolgen.
Wenn man durch aggressives Verhalten etwas erlangt oder abwendet, stärkt dieser Erfolg die Tendenz zur Wiederholung. Wie leicht zu erkennen ist, hat diese Art des Lernens besondere Bedeutung für die instrumentelle, auf Nutzeffekte gerichtete Aggression. Wer also auf aggressive Weise seinen Willen durchsetzt, Beachtung erzwingt, Kritiker zum Verstummen bringt oder einfach nur erreicht, dass man ihn in Ruhe lässt, beim dem werden sich solche Verhaltensgewohnheiten verfestigen.
Eindeutige Stoppsignale können Aggressionen hemmen
Während man durch Vorbilder neuartige Verhaltensmuster erwerben kann, bildet sich also durch Erfolge die Neigung aus, beobachtetet oder auch selbst entwickelte Verhaltensweisen einzusetzen – zumindest gegenüber Personen, bei denen man damit erfolgreich ist. Eine indirekte Förderung der Aggressivität liegt für Hans-Peter Nolting in der fatalen Erfahrung, dass positives Verhalten nicht erfolgreich ist, dass es nicht beachtet und nicht ermutigt wird, sondern ins Leere läuft. Wichtig ist nicht nur, was gelernt wirde, sondern auch, was nicht gelernt wird.
Positives Verhalten kann „verlernt“ werden, wenn es wiederholt erfolglos bleibt oder gar verächtlich gemacht wird. Falls aggressives Verhalten negative Folgen mit sich bringt, kann dies zur Ausbildung von Aggressionshemmungen beitragen. Das gilt allerdings weniger für harte Strafen, die selbst wie ein aggressives Vorbild wirken, sondern eher für eindeutige Stoppsignale oder Botschaften. Ein Teil der hochaggressiven Menschen hat zu selten Erfahrungen gemacht, aus denen die Grenzen des Erlaubten deutlich werden. Quelle: „Psychologie der Aggression“ von Hans-Peter Nolting
Von Hans Klumbies