Die Menschen gehen sehr oberflächlich mit Tieren um

Für den Anthrozoologen Hal Herzog pflegen die Menschen ein ganz seltsames Verhältnis zu Tieren. Er sagt: „Wir lieben Tiere und wir essen sie – und das ganze ist auch noch mit der Illusion verbunden, wir seien rational denkende Wesen.“ Hal Herzog vertritt die These, dass es Menschen generell schwer fällt, über irgendetwas rational zu urteilen. Die Menschen sind seiner Meinung nach grundsätzlich etwas verwirrt – ganz besonders bei Themen, die mit Moral zu tun haben. Hal Herzog hat gerade im Hanser Verlag das Buch „Wir streicheln und wir essen sie. Unser paradoxes Verhältnis zu Tieren“ veröffentlicht.

Die Amerikaner essen heute viel mehr Fleisch als im Jahr 1975

Von einer Entspannung des Verhältnisses zwischen Mensch und Tier kann nach Hal Herzog nicht die Rede sein. Er glaubt auch nicht, dass sich immer mehr Menschen vegetarisch ernähren würden. Hal Herzog erklärt: „Na ja, in den USA sagen viele Menschen, sie seien Vegetarier. Wenn man sie fragt, was sie in den vergangenen 24 Stunden gegessen haben, dann geben etwa zwei Drittel an, sie hätten Fleisch gegessen.“ Hal Herzog gibt allerdings zu, dass der Verzicht auf Fleisch schon populärer als früher geworden ist.

Der Vegetarismus verbreitet sich laut Hal Herzog nicht so schnell wie viele Menschen glauben. Er nennt Zahlen: im Jahr 1975 aß der Amerikaner im Durchschnitt etwa 80 Kilogramm Fleisch im Jahr, heute sind es 110 Kilogramm. Hal Herzog erläutert: „Die Zahl der geschlachteten Tiere ist sogar deutlich gestiegen: 1975 verbrauchten die Amerikaner etwa drei Milliarden Landtiere im Jahr, nun sind es etwa zehn Milliarden jährlich. Das liegt daran, dass der Preis für Hühnerfleisch dramatisch gefallen ist und sich die verbrauchte Menge vervielfacht hat.“

Das Luxussegment im Haustiermarkt ist am stärksten gewachsen

Die Hühnerhaltung ist für Hal Herzog das größte Tierschutzproblem weltweit, wenn die enorme Anzahl der Tiere betrachtet, die unter grausamen Bedingungen gehalten und gequält werden. Die Zahl der Tiere, die nicht von dem Menschen aufgegessen, sondern gestreichelt werden, ist in den USA in den letzten zehn Jahren relativ stabil geblieben. Aber die Tierbesitzer geben mehr Geld für ihre Lieblinge aus als früher. Hal Herzog sagt: „Am stärksten ist das Luxussegment im Haustiermarkt gewachsen.“

Haustierbesitzer sind laut Hal Herzog mitfühlender mit Tiere und unterstützen eher Tierschutzkampagnen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie auch Vegetarier sind, ist nur minimal erhöht. Hal Herzog erklärt: „Die meisten Haustierbesitzer essen Fleisch. Und diejenigen, die Vegetarier sind, haben ein Problem: Katzen! Katzen sind keine Vegetarier und töten gerne andere Tiere.“ Das Fazit, das Hal Herzog aus seinen Untersuchungen des Umgangs der Menschen mit Tieren zieht, lautet, dass die Menschen nur auf eine sehr oberflächliche Weise auf Tiere reagieren.

Von Hans Klumbies