Das Glück hat einen brüchigen Charakter

Wenn die Weisheit an die Seite des Glücks tritt, heißt es nicht mehr nur, das Leben, das man führt zu lieben, sondern das Leben an sich zu lieben. Frédéric Lenoir konkretisiert: „Das Leben mit seinen Höhen und Tiefen zu lieben, mit seinen guten und schlechten Momenten, seiner Dosis an Freude und Traurigkeit.“ Die Weisheit soll dabei nicht über den unvorhersehbaren und brüchigen Charakter des Glücks hinwegtäuschen. Sondern sie soll dazu dienen, das Glück so intensiv und dauerhaft wie möglich zu gestalten. Und dies jenseits der Unwägbarkeiten des Lebens, jenseits äußerer Umstände, angenehmer und unangenehmer Gefühle im Alltag. Weisheit bedeutet, das zu lieben, was ist. Wobei Frédéric Lenoir noch einmal die Tatsache betont, dass Weisheit ein Ideal ist und ein Ziel. Dieses kann man möglicherweise erreichen, aber vielleicht niemals vollständig verwirklichen. Frédéric Lenoir ist Philosoph, Religionswissenschaftler, Soziologe und Schriftsteller.

Die Weisheit erhöht die Fähigkeit zum Glücklichsein

Was zählt, ist Weisheit anzustreben, das heißt an sich zu arbeiten, um mehr und mehr zum Glück fähig zu sein. Es geht darum, die eigene Neigung zum Glücklichsein zu fördern und gleichzeitig die Fähigkeit zum Unglücklichsein zu verringern. Die Menschen haben in der Tat einen gewissen Hang zum Glücklich- oder Unglücklichsein. Einige amerikanische Soziologen nennen das ein „festes Glücksmaß“. Wie Arthur Schopenhauer schon treffend feststellte, hängt das vor allem von der persönlichen Sensibilität ab.

Es gibt optimistische oder pessimistische Menschen, fröhliche oder traurige. Frédéric Lenoir ergänzt: „Zu unserem genetisch bedingten Temperament kommen Einflüsse aus der frühen Kindheit, die unsere Empfindungen erheblich prägen: Manchen fehlt ein Leben lang die Selbstachtung, weil sie von ihren Eltern ein abwertendes Selbstbild vermittelt bekamen.“ Sie werden weniger leicht glücklich sein können als diejenigen, die im Gegensatz zu ihnen Vertrauen in sich selbst und in das Leben haben.

Die Harmonie der inneren Welt führt zum Glück

Wie Aristoteles hervorgehoben hat, hängt dabei das Glücklichsein zu einem großen Teil von den Umständen ab. Aber ebenso wichtig ist, wie sehr ein Mensch an sich arbeitet, um seine Fähigkeit zum Glücklichsein zu vergrößern. Dieser Teil des Glückes, der von der eigenen Person abhängt, kann sich folglich verändern, je nachdem wie man sein Leben gestaltet und welche Sicht man auf sich selbst, auf andere und auf die Welt hat. So kann man sich einem Ideal der Weisheit immer mehr annähern.

Der Weg führt dann zu einem Leben in Freude und Heiterkeit, auch wenn man nur für kurze Zeit in diesem Glückszustand verharrt. Die Menschen können dauerhaft und umfassend immer glücklicher sein, selbst wenn sie vorübergehend die Dramen des Lebens einholen, die das Glück beeinträchtigen. Diese Erfahrung hat jedenfalls Frédéric Lenoir gemacht. Für den Weisen hängt zum Beispiel das Glück nicht mehr hauptsächlich von den stets zufälligen Ereignissen der äußeren Welt ab. Sondern es ist abhängig von der Harmonie seiner inneren Welt. Quelle: „Weisheit“ von Frédéric Lenoir

Von Hans Klumbies