Die Ökonomie ist der Schlüssel zur Welt

Faulheit ist seit jeher ein Laster. Sie ist nicht gottgefällig, auch nicht vernunftgefällig, sondern eine Verschwendung der Talente. Doch nicht nur die Mönche und Protestanten beten und arbeiten. Auch für den Weltmenschen Johann Wolfgang von Goethe steht am Anfang die Tat. Und selbst Oblomows treuer Freund Stolz ein „Deutscher“ natürlich, sieht in der Arbeit den Sinn des Lebens. Sophie Loidolt stellt sich in diesem Zusammenhang folgende Frage: „Doch was heißt das eigentlich: Arbeit, Tat, tätig sein. Um darauf eine Antwort zu finden, beschäftigt sie sich mit einer von Hannah Arendts Grundfragen. In ihrem philosophischen Hauptwerk stellt sie die Frage: „Was tun wir, wenn wir tätig sind?“ Prof. Dr. Sophie Loidolt ist Gastprofessorin am Philosophieinstitut der Universität Kassel und Mitglied der „Jungen Akademie“ der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

Viele Menschen machen Erfahrungen der Sinnlosigkeit

Hannah Arendts These dahinter ist ganz klar: „Wir wissen eigentlich nicht mehr – will heißen, wir erfahren nicht mehr –, was verschiedene Tätigkeitsformen und damit verschiedene menschliche Existenzformen sind, da wir alles Tätigsein auf das Level des „Arbeitens“, des „Jobs“ reduziert haben.“ Damit ist verbunden, dass viele Menschen alles nur mehr unter dem Paradigma des Lebenserhaltungsprozesses, der Haushaltsordnung und des Konsums sehen. Politik ist Staatshaushalt, Universität ist Unternehmen, Kunst ist Event.

Die Ökonomie ist heutzutage der Schlüssel zur Welt. Sophie Loidolt weiß: „Gleichzeitig setzt uns ein immer stärker beschleunigter Vorgang des Produzierens und Konsumierens zunehmend Erfahrungen der Sinnlosigkeit und Vergeblichkeit aus.“ Alles wird zum kurzlebigen Konsumprodukt. Die Öffentlichkeit als politischer Erscheinungsraum verschwindet und wird zu bloßen Showbühne. Hannah Arendt konstatiert der Gegenwart einen fatalen „Erfahrungsschwund“, der in die „Weltlosigkeit“ des sogenannten „animal laborans“ und seiner konformistischen Konsum- und Massengesellschaft mündet.

Menschen existieren niemals außerhalb von Sinnräumen

Hannah Arendts Gegenmaßnahme ist bekanntermaßen, in den Menschen die Lust am Politischen und am gemeinsamen Handeln und Urteilen wieder zu stärken. Hannah Arendt arbeitet in „Vita activa“ an der erlebten Tätigkeiten und Erfahrungen heraus, wie eine bestimmte Tätigkeitsform einen Sinnraum strukturiert, eine Welt orientiert. Menschen sind leibliche Wesen, die sich auf Andere und auf Gegenstände beziehen können. Als bewusste Wesen sind menschliche Tätigkeiten nie etwas „Blindes“, sondern man erlebt sie und erlebt sich in ihnen.

Sophie Loidolt erläutert: „Indem wir also tätig sind, erleben wir eine gewisse Zeitlichkeit, eine bestimmte Räumlichkeit, eine Kausalität, Formen der Interaktion, alles, was uns mit der Welt in Beziehung setzt und uns verortet.“ Hannah Arendt und mit ihr die phänomenologische Tradition würden nun behaupten, dass Menschen niemals außerhalb von solchen Sinnräumen existieren. Zu sein bedeutet in-der-Welt zu sein, wie Martin Heidegger dies formuliert hat. Das heißt: Menschen sind immer schon eingelassen in Sinnzusammenhänge, die keineswegs nur sprachlich sind, sondern die sich auch schon durch die Leiblichkeit erschließen, bevor ein Mensch noch sprechen kann. Quelle: „Lust und Frust des animal laborans“ von Sophie Loidolt in „Mut zur Faulheit

Von Hans Klumbies