Einen Raum zwischen stark religiöser Prägung, Heiligkeit und Alltag eröffnet die magische Welt des Tees. Der Teetrinker gilt in Asien als eine an der Weisheit interessierte Person, suchend und sensibel und auf die Gastfreundschaft bezogen. Und vor allem nimmt er die Ereignisse nicht zu ernst, verzweifelt nicht an der Vergänglichkeit. Frank Berzbach ergänzt: „Orte, an denen Tee getrunken wird, werden mit Schönheit infiziert oder sind von ihr geprägt. Nun lässt sich in Europa, gemessen an dieser Ästhetik der Teeräume, nichts Ähnliches finden.“ Die Teeliteratur bildet in Ostasien eine eigene literarische Gattung. Beschrieben werden daoistische und zen-buddhistische Praktiken, die auf deren Ästhetik und zugleich auf den Alltag bezogen sind. Dr. Frank Berzbach unterrichtet Psychologie an der ecosign Akademie für Gestaltung und Kulturpädagogik an der Technischen Hochschule Köln.
Tee ist Bestandteil eines anderen Lebensrhythmus
Der Teetrinker sucht kein Getränk, das ihm einen Kick verpasst, sondern Gelassenheit und Wachheit. Tee zubereiten ist so einfach, dass man daran nur scheitern kann. Rikyu, der die Teezeremonie vollendete, definierte: „Das Wesen der Teezeremonie ist Wasser kochen, Tee bereiten und ihn trinken. Nichts sonst.“ Die ersten drei Aspekte könnte schon ein Kind beherrschen. Aber erst im zweiten Satz liegt die Herausforderung eines lebenslangen Übungsweg und auch der vollendeten Schönheit.
Wie das erreichen? Sich bei all seinen Bewegungen nur auf die Zubereitung konzentrieren, sich hinsetzen und die Teeschale umgreifen, ihn in innerer und äußerer ungestörter Ruhe genießen – und das mit Gästen. Weder dem Rauschen im eigenen Kopf erliegen, noch an die Zeit nach dem Teetrinken denken oder an den Vortag. Christoph Peters, der weit auf dem Teeweg fortgeschritten ist, findet, dass Tee „vielmehr Bestandteil eines anderen Lebensrhythmus sei, einer anderen Art und Weise, in der Welt zu sein“.
Tee und Zen haben den selben Geschmack
Die Kulturen unterscheiden sich im Umgang und der Zubereitung. Im Gedächtnis bleiben vielen aber vor allem die Bilder des stark formalisiert wirkenden japanischen Teewegs. Zu dieser Zeremonie gehören, im umfassendsten Sinne, der Garten und der Pfad zum Teehaus, das nach spezifischen archetektonischen Regeln gebaut ist und die Utensilien zur Teezubereitung. Zudem prägen die Teezeremonie das Blumengesteck und die Kalligrafie, schließlich der geschlagene grüne Tee, der Gastgeber und die Gäste.
Jede Handlung und Bewegung, wann wer was sagt, alles ist aufeinander bezogen und miteinander verbunden. Es wundert also nicht, dass die alten Meister sagten: „Tee und Zen haben gleichen Geschmack.“ Frank Berzbach weiß: „Nun reicht das Betreten eines Teeladens völlig aus, um den betörenden Gesamtzusammenhang zu erahnen. Die Schalen und Kannen, der Geruch und Geschmack puren grünen oder schwarzen Tees, die Atmosphäre und die Art der Läden sind Zeugnisse des Teeismus. Quelle: „Die Form der Schönheit“ von Frank Berzbach
Von Hans Klumbies