In seinem neuen Buch „Sackgasse“ rechnet Daniel Goeudevert gnadenlos mit den sogenannten Eliten ab: „Wir haben kein Unterschichten-, wir haben ein Oberschichtenproblem!“ Viele Manager und Politiker haben seiner Meinung nach noch nicht begriffen, dass das Industriezeitalter zu Ende geht. Daniel Goeudevert warnt die Eliten davor, den Wandel in die postindustrielle Ära zu verschlafen. Denn wenn sie weiterhin dem Lobbyismus nicht Einhalt gebieten und kreative Lösungsansätze blockieren, steuern die modernen Gesellschaften unweigerlich auf einen Crash zu. Exemplarisch für die gegenwärtige Krise ist der Zustand der einst so ruhmreichen Autoindustrie. Aber auch andere Schlüsselindustrien der deutschen Wirtschaft wie Chemie- und Stahlindustrie sowie die Elektrotechnik befinden sich in einer Sackgasse. Daniel Goeudevert war Vorsitzender der deutschen Vorstände von Citroën, Renault und Ford sowie Mitglied des Konzernvorstands von VW.
„Amerika first“ und der „Brexit“ führen in die Sackgasse
Die Zukunft bleibt deshalb stark gefährdet. Spätestens seit Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 hält leben die Menschen in einer Krisenphase: politisch, gesellschaftlich, ökonomisch. Viele haben das Gefühl, dass es für sie persönlich selbst im Aufschwung nur mehr bergab geht. Die Realeinkommen der meisten sinken, während die wenigen Reichen immer reicher werden und aberwitzige Geldsummen in planerischen Katastrophen versinken. Das alles ist für niemanden mehr nachvollziehbar und verursacht bei vielen Menschen ein mehr oder weniger diffuses Unbehagen.
Für die weltweit miteinander zusammenhängenden Probleme der Gegenwart gibt es für Daniel Goeudevert keine einfachen Insel-Lösungen. Die Ursachen sind so vielfältig wie ihre Symptome. „Amerika first“ und der „Brexit“ führen dagegen unweigerlich in eine Sackgasse. Die modernen Industrie- und Dienstleistungsnationen befinden sich gerade in einer von Veränderungsängsten und dadurch schockstarren Situation. Der Ausgang ist völlig offen. Inzwischen tauchen sogar Zweifel an der Demokratie und deren Errungenschaften selbst auf. Dazu zählen unter anderem Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und das Diskriminierungsverbot.
Der digitale Wandel erfordert eine andere Ökonomie
Die Führungsfehler, die Daniel Goeudevert im Buch „Sackgasse“ in erster Linie bemängelt, bestehen darin, die offenkundigen Zeichen der Zeit systematisch ignoriert zu haben. Denn alles, was gerade passiert, hat sich schon lange deutlich abgezeichnet. Die Politik und die „Realwirtschaft“ wirken seltsam gelähmt. Die aktuelle Krise ist Ausdruck eines Wachstums- und Beschleunigungswahns, in dessen Verlauf viele Menschen scheinbar jedes Maß verloren haben. Dabei könnte jeder wissen: Ein vor allem nach Effizienz- und Rentabilitätsvorgaben getaktetes Leben ist kein gutes.
Im abschließenden Teil seines Buchs gibt Daniel Goeudevert Hinweise, was seiner Ansicht nach zu tun und zu ändern ist, damit das absehbare Ende des Industriezeitalters nicht in einem Kollaps endet. Vor allem der digitale Wandel, der zurzeit immer mehr Tempo aufnimmt, macht eine andere Form des Wirtschaftens nicht nur möglich, sondern nötig. Ob die deutschen Autobauer dabei weiterhin eine gewichtige Rolle spielen werden, entscheidet sich jetzt. Noch halten sie ihr Schicksal in den eigenen Händen.
Sackgasse
Wie Wirtschaft und Politik den Wandel verschlafen
Daniel Goeudevert
Verlag: Dumont
Gebundene Ausgabe: 269 Seiten, Auflage: 2020
ISBN: 978-3-8321-8110-9, 20,00 Euro
Von Hans Klumbies