Die Globalisierung war ein Segen für China

Die Globalisierung fördert wechselseitige Beziehungen, und im Falle Chinas brachte sie blitzschnelle Veränderungen. An die Stelle von Wirtschaftsplänen im Rahmen einer umständlichen Entwicklungspolitik, die erst Jahrzehnte später Erfolge verhieß, traten rasch greifbare Verbesserungen in allen Lebensbereichen. Nadav Eyal nennt ein Beispiel. „Die Alphabetisierungsrate in China lag 1990 bei 78 Prozent, das heißt, Hunderte Millionen waren Analphabeten. Zwei Jahrzehnte später konnten 95 Prozent der Chinesen lesen und schreiben.“ Von 1990 bis 2017 sank die Säuglings- und Kindersterblichkeit bis zum fünften Lebensjahr in China um 83 Prozent. Nach jedem denkbaren Kriterium haben sich die Lebensumstände in China erheblich verbessert. Industrialisierung ist dabei ein Schlüsselwort. Es besteht ein deutlicher Zusammenhang zwischen industriellen Fortschritt und höherem Lebensstandard. Nadav Eyal ist einer der bekanntesten Journalisten Israels.

Deng Xiaoping erlöste Millionen aus bitterster Armut

Sieben von zehn Chinesen arbeiteten 1978 in der Landwirtschaft. 2018 war es genau umgekehrt – sieben bis acht von zehn Chinesen arbeiteten in Nichtagrarberufen: Handel, Industrie, Dienstleistungen. Nur ein Anführer im 20. Jahrhundert übernahm einen armen, rückständigen Staat und verwandelte ihn zu einem Supermachtanwärter – Deng Xiaoping. Mit seiner Politik erlöste er Hunderte Millionen Menschen aus bitterster Armut, und das gelang ihm, weil er sich die Globalisierung zum Bündnispartner erkor.

Millionen Chinesen, die in Behausungen ohne fließendes Wasser geboren wurden, arbeiteten als junge Leute bereits in exportorientierten Fabriken. Oder sie entwickelten Applikationen und Computerprogramme – und das in weniger als einer Generation. Handelbeziehungen zwischen Nationen und Kulturen sind im Grunde nichts Neues. Als klassisches Beispiel nennt Nadav Eyal die Seidenstraße, auf der über 1500 Jahre hinweg Waren aus Fernost bis ans Mittelmeer transportiert wurden. Heute weiß man, dass die langen Kamelkarawanen mehr romantische Illusion als Wirklichkeit waren.

Nur wenige Menschen konnten sich Luxusgüter leisten

Die Seidenstraße war in Wirklichkeit keine einzige Straße, sondern ein Nebeneinander vieler Routen. Die Reisegeschwindigkeit betrug höchstens siebzehn Kilometer pro Tag. Der Verkehr pendelte hauptsächlich zwischen dörflichen, agrarischen Zentren, die ihren Bedarf mit heimischen Gütern deckten. Anderes galt für die Großstädte des Imperiums, wohin Güter und Menschen aus aller Welt strömten. In Rom beklagte sich zum Beispiel Plinius der Ältere über die schreckliche Globalität des Luxusgütermarktes seiner Zeit.

Plinius sprach von Luxusgütern für eine sehr dünne Schicht der Bevölkerung des Imperiums. Für die überwältigende Mehrheit der Weltbevölkerung waren Luxusartikel bis vor rund zweihundert Jahren ohnehin unerschwinglich. Diese Leute kauften keine Vanillestangen oder Seidentücher, sie waren hauptsächlich damit beschäftigt, Nahrung für den nächsten Tag zu ergattern. Die wenigen weltweiten Beziehungen wurden von einer dünnen Schicht Adeliger und Begüterter unterhalten, und der Fernhandel war überschaubar. Der Umfang des heutigen Welthandels ist daran abzulesen, dass der meiste Hausrat eines Bewohners der Industriestaaten nicht in seiner näheren Umgebung hergestellt wurde. Quelle: „Revolte“ von Nadav Eyal

Von Hans Klumbies