Thomas Mayer will einen Europäischen Währungsfonds

Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank Thomas Mayer nennt die Gründe für die aktuellen Turbulenzen an den Finanzmärkten der Welt. Die Zahlen für das zweite Quartal in den USA sind seiner Meinung nach besorgniserregend schlecht ausgefallen. Im Euroraum zeichnet sich ebenfalls eine deutliche Abschwächung der Konjunktur im dritten Quartal ab. Zudem gehen in den meisten Schwellenländern die Wachstumsraten zurück. Er sagt: „Diese globale Konjunkturabschwächung, gewürzt mit der amerikanischen und europäischen Schuldenkrise, das fliegt uns in den Finanzmärkten um die Ohren.“ Ein kleiner Hoffnungsschimmer sind für ihn allerdings die neuen, überraschend guten Arbeitsmarktzahlen. Als Chefvolkswirt der Deutschen Bank leitet Thomas Mayer seit Januar 2010 den Think Tank der Bank DB Research.

Die Finanzkrise kann nur über den Abbau der Staatsschulden gelöst werden

Thomas Mayer ist überhaupt nicht damit einverstanden, dass EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso mehr Geld für den Euro-Rettungsschirm EFSF fordert. Für den Chefvolkswirt der Deutschen Bank steht fest, dass die Nordländer nicht für alle Schulden der Südländer haften können. Es könne nicht sein, das Deutschland der Zahlmeister der Währungsunion bleibt. Thomas Mayer schlägt stattdessen vor, dem Rettungsfonds des Euros das Statut eines Geldinstituts zu geben, wie es die Banken im Euroraum haben. Er sagt: „Damit entstünde sozusagen ein Europäischer Währungsfonds.“

Dieser Europäische Währungsfonds hätte im Notfall, wenn die Eigenmittel und begrenzte Kreditaufnahme im Markt nicht ausreichen, um chaotische Situationen auf den Finanzmärkten zu bewältigen, Zugang zu Krediten der Europäischen Zentralbank. Auf lange Sicht gesehen, wird sich die Finanzkrise laut Thomas Mayer nur über den Abbau von Schulden lösen lassen. Er erklärt: „Die Schönwetterzeiten sind vorbei, in denen jeder Staat im Euroraum seine Schulden problemlos refinanzieren konnte, egal, wie hoch sie waren. Aber Schulden verschwinden nicht über Nacht.“

Ein Ausstieg Italiens aus dem Euro würde das Weltfinanzsystem bedrohen

Für Thomas Mayer wäre ein Europäischer Währungsfonds eine Institution, mit der Europa die Währungsunion stabilisieren könnte, während die Schulden abgebaut würden. Er sagt: „Ein Europäischer Währungsfonds ist immer noch besser, als wenn die Europäische Zentralbank zur Finanzierung der Staatsschulden herangezogen wird.“ Thomas Mayer fordert, dass jede Hilfe der Europäischen Währungsfonds mit strengen Auflagen verbunden werden müsste. Diese Institution könnte seiner Meinung nach selbst einen riesigen Anleihenmarkt wie den italienischen stabilisieren.

Es gibt immer mehr Ökonomen und Banker, die den Ausstieg schwacher Staaten aus dem Euro in Kauf nehmen würden. Thomas Mayer vertritt die Meinung, dass man den Ausstieg von Griechenland, Irland oder Portugal vielleicht verkraften könnte. Aber nicht den Austritt Italiens, des drittgrößten Anleihenmarktes der Welt. Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank erklärt: „Nach einem Euro-Ausstieg hätte das Land knapp 1,9 Billionen Euro Fremdwährungsschulden – es wäre sofort zahlungsunfähig und würde das Weltfinanzsystem zum Kollaps bringen.“

Von Hans Klumbies