Eine leistungsorientierte Identität wird oft nicht akzeptiert

Wer in einer Kultur der Leistungsverweigerung lebt und trotzdem mehr als gerade nötig leisten möchte, fühlt sich über kurz oder lang in seiner persönlichen Entwicklung und Entfaltung eingeschränkt und ausgebremst, in seiner leistungsorientierten Identität nicht akzeptiert, oft nicht einmal toleriert, ja nicht selten stigmatisiert, abgewertet und ausgegrenzt. Evi Hartmann weiß: „Kein Wunder, dass viele an Emigration in ihren verschiedensten Varianten denken. Die einen denken oft schon längere Zeit daran, das Unternehmen zu verlassen. Andere spielen mit dem Gedanken eines hypothetischen Kulturwechsels.“ Amerika zum Beispiel ist bekannt für seinen vorwiegend leistungsorientierten Mindset, Japan für die Arbeitsdisziplin seiner Führungskräfte und Belegschaften. Es gibt allerdings auch Leistungsträger, die allein der Gedanke an diese Emigrationsvarianten wütend macht. Prof. Dr.-Ing. Evi Hartmann ist Inhaberin des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Supply Chain Management, an der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg.

Es gibt Strategien gegen die Leistungsfeindlichkeit

Nicht auswandern, sondern bleiben. Geht das? Und ein Fels in der Brandung der Leistungsverweigerung sein? Eine Insel des Leistungswillens inmitten eines Ozeans der Elitisten. Einsam, aber leistungsstark. Insulär, aber mit intakter Identität. Isoliert, aber authentisch. Ist das eine gangbare Option? Was für eine Frage! Viele sind es doch bereits – eine Insel. Zwangsweise. Wer sich richtig reinhängt in seinen Job, seine Aufgabe und seinen Verantwortungsbereich, der und die lebt in vielen Abteilungen, Firmen, Familien und Familien bereits inselhaft.

Wer nicht wegen der Masse an leistungsneurotischen Lautsprechern in die innere oder äußere Immigration gehen will, hat die Wahl: Er oder sie kann weiter an der Leistungsfeindlichkeit großer Teile der Gesellschaft leiden. Oder Strategien ergreifen, um im Ozean der Leistungsvermeidung doch noch die Leistung zu bringen, die ihm oder ihr vorschwebt. Beim Versuch, auf die Umtriebe der Leistungsvermeider zu reagieren, greifen viele Leistungswillige jedoch nicht zu geeigneten, sondern zu eher ungeeigneten Maßnahmen.

Leistung lohnt sich

Vielleicht haben sie das leidige Spiel schon so satt, dass sie sich nur noch mit Grauen abwenden und gar nichts mehr sagen. Wenn die Leistungsverweigerer in ihrem Umfeld wieder ihr Unwesen treiben, wenden sie sich ab und schweigen. Allerdings ist es auch deshalb besser, den Mund aufzumachen, weil viel Leistungsverweigerer im Anfangsstadium noch zur Einsicht fähig sind. Und je häufiger man dem Leistungsvermeider kommuniziert, dass Leistung sich lohnt, desto eher kann er sich irgendwann gänzlich zu dieser Erkenntnis entschließen.

Wenn man nichts sagt, passiert auch nichts, oder es wird noch schlimmer. Wenn man einmal am Tag einem Leistungsverweigerer sagt, dass seine Ansprüche seine Leistung in den Schatten stellen, wird man noch lange nicht von den Kollegen schief angeschaut. Es gibt zwar viel üble Nachrede auf der Welt, aber so übel ist die Welt dann doch nicht. Es gibt etliche Vorgesetzte und Mitarbeiter, die Leistungsvermeider auf die Wahrung des Leistungsprinzips hinweisen – und nicht als Sklaventreiber gelten. Weil sie es nicht monoton und pausenlos, sondern taktisch klug machen. Quelle: „Ihr kriegt den Arsch nicht hoch“ von Evi Hartmann

Von Hans Klumbies