Die Naturverbundenheit der Bayern ist legendär

Der Stolz auf die Heimat, Freistaats-Patriotismus und die Verhaftung an Traditionen führen vornehmlich im Bundesland Bayern zu einem, man darf schon sagen, überaus „angemessenen Selbstbewusstsein“. Christian Schüle schreibt: „Der Bezug zur vermeintlichen Ewigkeit des eigenen Existierens lässt sich bis heute am ostentativen Sprachgebrauch des latinisierten Begriffs „Bavaria“ ablesen, als wäre man auf Augenhöhe mit dem längst untergegangenen Römischen Reich, das bekanntlich nur wenige ausgesuchte Volksgruppen überdauert haben.“ Das so geschichtsträchtige wie stolze Bayern ist jene deutsche Region mit dem stärksten Bewusstsein seiner eigenen Sichtbarmachung. In Bavaria übersetzt man den Begriff der Heimat bündig mit „Dahoam“ und meint nicht das Heim, sondern vor allem das „Da!“, nämlich: dort in Bayern. Seit dem Sommersemester 2015 lehrt Christian Schüle Kulturwissenschaft an der Universität der Künste in Berlin.

Diverse Nationalitäten vereinten sich unter einem bajuwarischen Obdach

Die legendäre Naturverbundenheit der Bayern, die, fasst man Naturpflege als Kulturpflege auf, eine ebenso legendäre Kulturverbundenheit ist, wird jenseits des Weißwurst-Äquators mit saupreußischen Sottisen gern als Provinzialität und Bierseligkeit denunziert, was die Bayern mit einem zünftigen „Mir san mir“ ad adsurdum fahren lassen. Als einziges Bundesland führt Bayern nicht von ungefähr ein „Heimat-Ministerium“, das dem bayerischen Finanzminister untersteht.

Christian Schüle blickt in die Vergangenheit zurück: „Die Könige der Wittelsbacher konzipierten ab 1806 auf vorausschauende Weise kraftvolles Brauchtum, Trachten und Sprache als heimatliche Bindekräfte, um neue, anfangs fremdelnde Regionen kulturell einzubinden.“ Die gezielt geförderte Verbundenheit und Verbindlichkeit kultureller Wertvorstellungen durch Feste und Feierlichkeit wurde staatstragend und identitätsstiftend und vereinte diverse Nationalitäten unter bajuwarischen Obdach.

In Bayern lebende Menschen besitzen ein starkes Heimatgefühl

Die Preußen müssen die Bayern nicht mögen, und wem Dirndl, Lederhose, Bierzelt und Blasmusik ästhetisch zuwider sind, könnte dennoch anerkennen, dass nicht ausgerechnet, sondern gerade Bayern zeigt, wie man ethnische Diversität mit den Mitteln von Kultur und Sprache in Heimat überführt und Integration so vorantreibt, dass der soziale Friede gewahrt bleibt. Der sogenannten „Bayern-Studie“ des Bayerischen Rundfunks von 2015 zufolge sind knapp drei Viertel der Bevölkerung stolz darauf, Bayern zu sein. In Bayern lebende Menschen empfinden ein starkes Heimatgefühl für ihre Gegend.

Drei Viertel der Bayern leben nicht nur gerne, sondern sehr gerne in ihrer Region; 88 Prozent der Bayern fühlen sich absolut zu Hause, und 83 Prozent sagen ohne Wenn und Aber: „Hier ist meine Heimat.“ Der Dialekt ist 67 Prozent der Bayern wichtig, 37 Prozent tragen gerne Tracht. Es sind vor allem die jungen und mittleren Altersgruppen, die diesen Trend antreiben. Und 80 Prozent leben immer noch in der Region, in der sie aufgewachsen sind, auch weil die ökonomische Situation sie nicht zur Mobilität zwingt. Quelle: „Heimat“ von Christian Schüle

Von Hans Klumbies