Das Erziehungsideal des Michel de Montaigne

Michel de Montaigne, der Autor der berühmten „Essais“, erhielt als Kind eine hervorragende, humanistische Bildung. Der Vater ließ sogar Lehrer aus Deutschland kommen, die mit dem Kind auf lateinisch kommunizierten. Mit sechs Jahren kam Michel de Montaigne in ein Collegium nach Bordeaux. Schon mit acht Jahren las der Knabe zu seiner Unterhaltung Ovid, Vergil, Terenz und Plautus. Nach seiner Schulzeit studierte er Jura und wurde Advokat und Parlamentsrat der Stadt Bordeaux. Als sein Vater 1569 starb, verkaufte Michel de Montaigne seine Ämter und zog sich aufs Land zurück. Auf seinem Schloss Montaigne fasst er den Entschluss, sich ganz seinen Studien zu widmen und zu schreiben.

Michel de Montaigne lernt von Seneca und Plutarch

Seine ersten Essays aus den Jahren 1570/71 sind humanistische Beispielsammlungen, die von eigenen Kommentaren ergänzt sind. Er tritt in ihnen für die Moral der Stoa ein, er wählt Seneca zu seinem ersten großen Lehrer. Michel de Montaigne legt ihn so aus, dass die Lebenslehre vor allem eine Sterbelehre sei. In der seelischen Vorbereitung auf den Tod sieht er das Ziel aller philosophischen Bemühung und erkennt darin die höchste menschliche Vollendung.

Nach 1573 wendet sich Michel de Montaigne von der Lehre der Stoa ab und greift die Natur und das eigene Ich in seinen Schriften auf. Sein zweiter großer Lehrer wird auf diesem Gebiet Plutarch. Er lehrte ihn, sich so zu sehen wie er in Wirklichkeit war. Durch Plutarch lernte er seine eigenen Widersprüche und die der anderen Menschen als menschlich anzusehen und zu akzeptieren. Jetzt entwickelt Michel de Montaigne auch die essayistische Form der „Essais“, die sich durch eine unsystematische, assoziative, anekdotische und aufgelockerte Darstellung auszeichnen. So wird er zum Begründer der literarischen Form des Essays.

Die Basis der Philosophie von Michel de Montaigne ist eine Erziehungslehre

Michel de Montaigne schrieb in seinen „Essais“ viel über sich selbst, weil er sich für das beste Beobachtungsobjekt hielt. Doch alles Persönliche und Anekdotische kann nicht überdecken, dass die „Essais“ auch ein philosophisches Werk sind. Die Basis seiner Philosophie ist eine Erziehungslehre. Das oberste Gebot für einen Erzieher ist laut Montaigne die Beobachtung des Kindes. Es gilt die natürlichen Anlagen des Kindes zu entdecken und zum Blühen zu bringen.

Den Erfolg der Erziehung misst Michel de Montaigne nicht an der Gedächtnisleistung eines Schülers, sondern an dessen Lebensführung. Sein Erziehungsideal enthält auch körperliches Training, viel Bewegung, das Erforschen fremder Milieus und Reisen in andere Länder. Vor allem plädiert er dafür, durch den Rat von Anderen und das Zuhören zu lernen.

Kurzbiographie: Michel de Montaigne

Michel de Montaigne wurde 1533 auf Schloss Montaigne in der Nähe von Bordeaux geboren. Nach dem Jurastudium wurde er Parlamentrat in Bordeaux 1582 zum Bürgermeister berufen. Sein berühmtestes Werk sind die „Essais“, in denen er ausgehend von der Beobachtung des eigenen Selbst, die Vielfalt menschlicher Verhaltensweisen schildert und analysiert. In den Essays ist eine humanistische Erziehungslehre enthalten, deren Hauptziel es ist, einen selbstständig urteilenden und weltoffenen Menschen zu formen. Michel de Montaigne stirbt 1592.

Von Hans Klumbies