Für Cicero ist nichts wünschenswerter als die Weisheit, nichts hervorragender, was des Menschen würdig wäre. Die Leute, die nach ihr streben, werden Philosophen genannt, da die Philosophie nichts anderes ist als das Streben nach Weisheit. Cicero schreibt: „Die Weisheit aber ist, wie von alten Philosophen bestimmt worden ist, das Wissen um Göttliches und Menschliches und deren Ursachen, von denen diese abhängen.“ Cicero versteht nicht recht, was diejenigen noch für lobenswert betrachten, die dieses Streben nach Weisheit tadeln. Denn ob geistiges Ergötzen oder Entspannung von Sorgen gesucht wird, nichts kann seiner Meinung nach verglichen werden mit dem Ringen derer, die immer auf der Suche sind nach etwas, das hingewendet ist oder beiträgt zu einem guten und glücklichen Leben.
Die wahre Ehrenhaftigkeit findet sich nur bei den Weisen
Philosophen halten laut Cicero in ganz strenger Logik und ehrenhafter Haltung drei in der Sache unlösbar verbundene Gesichtspunkte in ihren Gedanken auseinander. Was gerecht ist, sehen sie auch als nützlich an und was ehrenhaft ist, erscheint für sie auch gerecht. Daraus ziehen sie den Schluss, dass alles, was gerecht ist, auch nützlich ist. Die Stoiker vertreten die These, dass alles was ehrenhaft, nützlich ist, nichts aber nützlich, was nicht ehrenhaft sei.
Für die Stoiker ist es das höchste Gut, in Übereinstimmung mit der Natur zu leben. Das bedeutet gemäß Cicero immer mit der Vollkommenheit übereinzustimmen, die übrigen Werte aber, die naturgemäß sind, nur dann auszuwählen, wenn sie der Vollkommenheit nicht widerstreiten. Cicero schreibt: „Jenes Ehrenhafte freilich, das eigentlich und wahrheitsgemäß als solches bezeichnet wird – das findet sich allein bei den Weisen, und es kann niemals von der Vollkommenheit losgerissen werden.“
Gutgesinnte Menschen suchen die Ehrenhaftigkeit
Cicero fährt fort: „Wenn die Menschen zur Ehrenhaftigkeit geboren sind und diese entweder allein zu erstreben ist, wie es Zenon richtig scheint, oder wenigstens für ganz entschieden gewichtiger anzusehen ist als alles übrige – wie Aristoteles meint –, so ist notwendigerweise das, was ehrenvoll ist, entweder das alleinige oder allergrößte Gut, was aber gut ist, sicherlich nützlich; folglich alles, was ehrenvoll ist, nützlich.“
Die Menschen müssen laut Cicero, wenn sie in der Philosophie nur einigermaßen vorangekommen sind, hinlänglich davon überzeugt sein, dass sie keine habsüchtige, ungerechte, willkürliche oder unkontrollierte Handlung begehen dürfen, selbst wenn die Tat vor allen Göttern und Menschen verheimlicht werden könnte. Von gutgesinnten Menschen wird die Ehrenhaftigkeit gesucht, nicht aber die Verborgenheit. Man sollte aus seinem ganzen Leben also Vorspiegelung und Verheimlichung beseitigen.
Von Hans Klumbies