Carlos Cazalis zeigt São Paulo in ungwöhnlichen Ansichten

In den Jahren 2005 bis 2008 fotografierte Carlos Cazalis für seinen außergewöhnlichen Bildband „Occupy São Paulo“ verschiede Stadtviertel der brasilianischen Megacity São Paulo. Inzwischen leben mehr als 20 Millionen Einwohnern in São Paulo. Das verursacht bei vielen Bewohnern der Stadt einen großen Stress, besonders wenn es darum geht für sich und seine Familien einen geeigneten Lebensraum zu ergattern. Ein passendes Zuhause zu finden, gehört zu den größten ökonomischen Herausforderungen der Menschen. Für die Ärmsten von São Paulo ist ein Heim gleichbedeutend mit ewiger Improvisation: einer Mauer folgt die nächste, einer Etage ein zweites Stockwerk, als Krönung sozusagen das Dach. Die Superreichen von São Paulo wohnen dagegen in luxuriösen Dachwohnungen, oder in großzügigen Villen. Diese Menschen geben viel Geld für ihre Sicherheit aus, verlassen ihre fürstlichen Heime nur in gepanzerten Limousinen und fliegen mit dem Hubschrauber zur Arbeit. Carlos Cazalis zeigt den krassen Gegensatz von Reichtum und Armut in São Paulo.  

Alphaville besteht aus 33 streng bewachten „Gated Communities“

Carlos Cazalis schreibt im Vorwort zu seinem Bildband „Occupy São Paulo“, dass schätzungsweise zwölf Prozent der Bevölkerung von São Paulo in den sich ausdehnenden Slums der Stadt wohnen und dass es sich bei rund vierzig Prozent der Häuser um illegale Schwarzbauten handelt. Auf der anderen Seite sind die sogenannten „Gated Communities“, scharf bewachte Siedlungen der Reichen, der lukrativste und am schnellsten wachsende Sektor auf dem Immobilienmarkt.

Zu Beginn seines Buchs zeigt Carlos Cazalis Bilder aus Alphaville, einer Miniaturstadt mit inzwischen 33 streng bewachten „Gated Communities“. Die 150.000 Angestellten, die hier leben, sorgen für die Sicherheit, mähen den Rasen, reinigen die Dächer, sorgen für die Kinder und arbeiten als Chauffeur. Carlos Cazalis zeigt aber auch die Schattenseite des Reichtums: die Jugendlichen langweilen sich zu Tode, geben sich exzessiven Saufgelagen hin und brechen in den Häuser der Nachbarn ein, um sich einen emotionalen Kick zu verschaffen.

Die Zahl der Obdachlosen in São Paulo nimmt erschreckend zu

Die Zona Leste im Osten von São Paulo ist randvoll mit Geschichten von Alkoholismus, AIDS, Mord und Todschlag und religiösem Fanatismus. Alle Menschen, die hier hausen, hoffen eines Tages die Armut hinter sich lassen zu können. Doch nur die wenigsten werden den Aufstieg in die Mittelschicht schaffen. Einige Fotos hat Carlos Cazalis auch von Prestes Maia gemacht, einer ehemaligen Textilfabrik im Jahr 2005 von 468 Familien, die kein Dach über dem Kopf hatten, besetzt worden ist.

Carlos Cazalis beendet seinen nachdenklich stimmenden Bildband „Occupy São Paulo“ mit dem Kapitel „Sleepers“. Während zweier Jahre beobachtete und fotografierte er, wie die Zahl der Obdachlosen in São Paulo in die Höhe schnellte. Viele Menschen zahlen für ihre Obdachlosigkeit einen hohen Preis, indem sie zum Beispiel schizophren werden. Jedoch das Schlimmste für die Obdachlosen ist wahrscheinlich, dass sie von den Bürgern die einer geregelten Arbeit nachgehen und ein Heim haben, verleugnet werden. Wenn sie überhaupt beachtet werden, dann nur durch eine kurze Drehung des Kopfs in ihre Richtung.

Occupy São Paulo
Carlos Cazalis
Verlag: Kehrer
Gebundene Ausgabe: 112 Seiten, Auflage: 2013
  39,90 Euro
Von Hans Klumbies