Das Netzwerkkapital spielt eine große Rolle

Heutzutage spielen die Internationalisierung und Entfaltung der Kompetenzen der Persönlichkeit über standardisierte, nationale Bildungsabschlüsse eine zunehmend wichtige Rolle. Andreas Reckwitz erklärt: „Das ökonomische Kapital von Einkommen und Vermögen will auf volatilen Arbeits-, Immobilien- und Finanzmärkten entwickelt werden. Eine bedeutsame Rolle nimmt die Entwicklung von sozialem Kapital ein.“ Die neue Akademikerklasse zeichnet sich durch eine besonders differenzierte Pflege von Netzwerkkapital aus. Sowohl von solchem, das man beruflich verwerten kann, als auch von solchem, das allgemeine Beratungsfunktion verspricht. Dabei geht es um die Themen Gesundheit, Recht und Bildung. Daneben gibt es ein Netzwerkkapital, das relevant für die Gestaltung der Freizeit ist. Als Beispiele nennt Andreas Reckwitz die Nutzung von Ferienhäusern, internationalen Wohnungstausch oder lokale Kaufempfehlungen. Andreas Reckwitz ist Professor für Kultursoziologie an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder.

Die Subjekte üben Selbstoptimierung

Andreas Reckwitz betont: „Schließlich gilt es unter spätmodernen Verhältnissen mehr und mehr, eine weitere Sorte von Ressourcen zu entwickeln: das psychophysische Subjektkapital.“ Gemeint ist damit die Notwendigkeit, dass das Subjekt an seiner physischen und psychischen Struktur arbeitet. Diese soll ein stabiles Fundament sowohl für den beruflichen Erfolg als auch für einen geglückten Lebensstil liefern. Das Subjekt übt hier in Selbstoptimierung. Zentral ist in diesem Zusammenhang die Statusinvestition in Gesundheit und Fitness.

Daneben kann eine Arbeit an der eigenen psychischen Stabilität – Stichwort Resilienz –, aber auch an den psychischen Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeiten an Bedeutung gewinnen. Auch die Arbeit an der physischen Attraktivität – über Sport oder Stilberatung etwa – ist unter den Bedingungen des unberechenbaren Wettbewerbs kultureller Märkte ein wichtiger Asset. Trotz aller Bedeutung der Kapitalakkumulation gilt jedoch. In Idealtypus der „Lebensführung als Kultur“ der neuen Mittelklasse ist die Statusinvestition nicht Selbstzweck.

Der kreative Lebensstil ist mit Prestige verbunden

Sondern sie ist Mittel zum Zweck der Entfaltung des singularistischen Lebensstils. Andreas Reckwitz erläutert: „Man kann hier von einer mitlaufenden Statusinvestition sprechen. Denn die Kapitalakkumulation ist zwar eine Strategie, die viele Aktivitäten begleitet. Aber sie ist nicht das Lebensziel der neuen Mittelklasse, die ja über bloßen Lebensstandard hinaus auf Lebensqualität aus ist.“ In dieser Hinsicht grenzt sie sich von der alten Mittelklasse ab, die gewissermaßen übereifrig nach Einkommen, Vermögen und Statussymbolen strebte und vorgeblich kleinbürgerlich „nicht zu leben verstand“.

Allerdings ist der kreative Lebensstil keine ausschließlich an den Bedürfnissen des eigenen Selbst orientierte Angelegenheit, sonders seinerseits mit sozialem Prestige verbunden. Das ist die paradoxe Struktur einer performativen Selbstverwirklichung. Also einer Darstellung von Selbstverwirklichung vor einem sozialen Publikum, um von dort als „attraktives Leben“ anerkannt zu werden. Die Akademikerklasse verkörpert insofern eine Symbiose von Romantik und Bürgerlichkeit. Denn sie verknüpft auf dieser Ebene die widersprechenden Orientierungen der Innenorientierung – Selbstverwirklichung – und Außenorientierung, zu der das Prestige zählt. Quelle: „Die Gesellschaft der Singularitäten“ von Andreas Reckwitz

Von Hans Klumbies