Im Leben ist der Wandel allgegenwärtig

Laut Seneca kann es hilfreich sein, ein Missgeschick als eine Übung in Duldsamkeit, Selbstbeherrschung und Tapferkeit zu verstehen und anzunehmen: „Die Philosophie hat eine unglaubliche Kraft, alle Gewalttätigkeit des Zufalls zuschanden zu machen … Manchen Geschossen nimmt sie alle Wucht und fängt sie spielend in ihrem bauschigen Gewande auf, andere zerstreut sie und lenkt sie auf die Entsendenden zurück.“ Albert Kitzler weiß: „Hilfreich kann es auch sein, daran zu denken, dass auch Missgeschicke und Unglück genauso wie Glücksfälle und gute Lebensphasen vergänglich sind und dem Wandel unterliegen.“ Und keiner bleibt von ihm verschont. Zudem sollte man gerade dann sich im Ertragen von Missgeschicken üben, wenn man sich in einer guten Lebensphase befindet. Der Philosoph und Jurist Dr. Albert Kitzler ist Gründer und Leiter von „MASS UND MITTE“ – Schule für antike Lebensweisheit.

Die Einstellung zum Tod ist von zentraler Bedeutung

Da man nie wissen kann, was aus einem Missgeschick alles folgt, kann man nach Seneca auch bei fatalistischen Gedanken Zuflucht suchen. Die aufgezählten Mittel und Übungen haben mit der Art des eigenen Denkens zu tun, mit der persönlichen Philosophie. Sie sind Ausdruck der inneren Haltung und spiegeln sie. Seneca schreibt: „Deshalb gewöhnt sich der Weise an künftige Unglücksfälle, und was andere nur durch langes Erdulden leicht machen, macht er leicht durch langes Nachdenken.“

Bei der Frage, wie ein Mensch mit der Welt am besten umgehen soll, mit dem, was um ihn ist und mit ihm geschieht, erhält die Einstellung zu Vergänglichkeit und Tod eine zentrale Bedeutung. Seneca beschäftigt sich in seinen Schriften intensiv und ausführlich mit diesem Thema. Wie gewinnt man ein gutes Verhältnis zur Welt, damit man sich in ihr wohlfühlt? Nach Seneca ist das nicht möglich, ohne sich mit dem Gedanken von Tod und Vergänglichkeit zutiefst vertraut zu machen, dem eigenen Tod wie dem einem Nahestehender.

Nichts im Leben ist ewig

Wenn einem Menschen das Leben gelingen soll, so muss er, sagt Seneca, sterben lernen. In der Tragödie „Agamemnon“ lässt Seneca den Chor ausrufen: „Nicht zu sterben wissen, o wie elend ist das!“ „Sterben“ ist hier weit zu verstehen und meint nicht bloß den Moment, die Stunden oder Tage vor dem eigenen Tod. Sterben lernen meint vielmehr, in jedem Zeitpunkt des Lebensvollzugs und in allen Erscheinungen der belebten wie der unbelebten Natur den kontinuierlichen Wandel wahrzunehmen.

Leben ist wesensmäßig Wandel, ist ständiges Sterben, ständiges Geboren-Werden. Diese Allgegenwart von Wandel und Vergänglichkeit ist die Ursache von zahlreichen Problemen, die das Leben leidvoll, frustrierend, sinnlos und bitter machen können. Albert Kitzler erklärt: „Der eigene Tod bereitet uns Angst, der Tod Nahestehender Trauer, die unerträglich sein kann und bei manchen kein Ende nimmt.“ Das Leben vollzieht sich im Wechsel von guten und schwierigen Phasen. Gesundheit, Wohlgefühl, Selbstvertrauen – nichts davon ist ewig. Beständig ist nur der Wandel. Quelle: „Leben lernen – ein Leben lang“ von Albert Kitzler

Von Hans Klumbies