Kinder benötigen eine intensive und liebevolle Bindung

Es gibt für Werner Bartens kein Patentrezept, wie Kinder zu seelisch stabilen und körperlich robusten Erwachsenen heranreifen. Manche beneidenswerte Menschen sind von jungen Jahren an ungeheuer belastungsfähig, kümmern sich später aufopferungsvoll um Beruf und Familie und wirken dennoch ruhig und ausgeglichen. Andere fühlen sich hingegen permanent gestresst und überfordert, und auch bei vermeintlich geringen Anforderungen signalisieren sie, dass sie nicht mehr können. Werner Bartens betont: „Es gibt keine Garantie dafür, dass Kinder bei einem bestimmten Verhalten der Eltern psychisch widerstandsfähig werden und gegenüber den Widrigkeiten des Lebens besser bestehen können.“ Ein paar hilfreiche Umstände, die dazu beitragen, dass Kinder Kraft und Energie aufnehmen können und die Wahrscheinlichkeit steigt, dass sie nicht so leicht verzagen und ihnen alles zu viel wird, gibt es allerdings sehr wohl. Werner Bartens ist Autor von Bestsellern wie „Das Ärztehasser-Buch“, „Körperglück“ und „Was Paare zusammenhält“.

Oxytocin ist als Kuschelhormon populär geworden

Werner Bartens erklärt: „Frühes Miteinander, emotionale Interaktion und Zuwendung helfen Kindern ungemein. Sie stimulieren die Entwicklung körperlich und fördern auch die seelische Reife. Durch Beziehungen und Nähe werden Kinder überhaupt erst beziehungsfähig.“ Es ist vom ersten Lebenstag an wichtig, eine intensive und liebevolle Bindung zu seinem Kind aufzubauen. Das spüren Eltern eigentlich intuitiv, besonders die Mütter merken, wie sie sich zu den Neugeborenen hingezogen fühlen.

Die Natur hilft dabei noch ein bisschen nach und geht auf Nummer sicher, dass sich innige Muttergefühle entwickeln: Mit dem ersten Milcheinschuss in die mütterliche Brust wird vermehrt das Hormon Oxytocin freigesetzt. Es ist mittlerweile ziemlich populär geworden als sogenanntes Kuschelhormon oder Bindungshormon, weil es das Bedürfnis nach Nähe, Berührung und Harmonie vermittelt und verstärkt. Die Mütter können unter diesem Hormoneinfluss gar nicht anders, als da Kind immer wieder in den Arm zu nehmen, zu streicheln und zu sich an die Brust zu legen.

Ratten sind die Kuscheltiere der Biologen

Eine ähnliche Wirkung zeigt das Oxytocin bei Paaren, die sich anfangs ständig anfassen müssen und kuscheln wollen. Die Kinderpsychiaterin Heidelise Als aus Boston hat in etlichen Studien gezeigt, wie gut die mütterliche Nähe den Allerjüngsten tut. Sie hatte schon in den 1970er Jahren beobachtet, dass sich Frühgeborene besser entwickeln, schneller wachsen, weniger Hirnschäden bekommen, sich ihre Lungen und ihr Herz rascher kräftigen und sie früher aus der Klinik entlassen werden können, wenn sie viel Wärme und Zuwendung bekommen und immer wieder berührt werden.

Ratten sind die Kuscheltiere der Biologen. Von ihnen lässt sich viel lernen, denn ihr Verhalten ähnelt in mancher Beziehung dem des Menschen. An Ratten konnte der Neurobiologen Michael Meaney und andere Wissenschaftler demonstrieren, was den Nagernachwuchs stark macht und resistent gegen Stress werden lässt. Werner Bartens erläutert: „Tiere, die von ihren Müttern nach der Geburt intensiv geleckt werden, bilden demnach mehr molekulare Andockstellen aus, um das Stresshormon Kortisol zu binden, damit dem Körperkreislauf zu entziehen und unschädlich zu machen.“ Diese Tiere zeigten sich bei späteren Belastungen entspannter als jene, die von ihren Müttern weniger verhätschelt wurden. Quelle: „Wie Berührung hilft“ von Werner Bartens

Von Hans Klumbies