Tod und Sex sind die Themen von Philip Roth

„Hier, wo der Mensch palavert und wehklagt, Der graue Schopf, erbärmlich dünn, sich neigt, Wo Jugend bleich und geisterhaft verdirbt, Wo denken heißt: sich sorgen.“ Diese großartigen Verse von John Keats sind als Motto Philip Roths Roman „Jedermann“ vorangestellt. Alain Finkielkraut weiß: „Es ist der Roman eines Sterblichen, unser aller Geschichte, und seinen Vornamen werden wir deswegen im ganzen Roman nicht erfahren. In Philip Roths Werk ist die ständige Auseinandersetzung mit dem Altern und dem Tod mindestens ebenso präsent wie der Sex.“ Der Tod ist unausweichlich, absurd, universell, so schrecklich wie banal, und inzwischen auch ohne Aussicht auf ein schöneres Jenseits. „Der Tod ist von Gott und hat seinen Vater gefressen“, sagt Elias Canetti. Alain Finkielkraut gilt als einer der einflussreichsten französischen Intellektuellen.

Das Werk von Philip Roth wird nicht untergehen

Und Gershom Scholem schreibt: „Wo einst Gott stand, steht jetzt Melancholie.“ Zur Melancholie würde Alain Finkielkraut hinzufügen: „Schrecken und ohnmächtige Revolte.“ Philip Roth hat diesen trostlosen Bezirk ausgemessen. Und seit dem 22. Mai 2018 gilt für ihn wie für „Jedermann“: „Er war nicht mehr, befreit vom Sein, ging er ins Nichts, ohne es auch nur zu bemerken. Wie er befürchtet hatte von Anbeginn.“ Als Zeitgenossen von Philip Roth fühlten viele Menschen sich privilegiert und fanden darin einen gewissen Trost.

Gewiss, sein Werk ist noch da, Achtung gebietend und vollendet, und es wird nicht untergehen. Solange es Leser gibt, die es lesen. Dennoch wollen sich viele nicht damit zufriedengeben, von ihm in der Vergangenheit zu sprechen. Alain Finkielkraut erklärt: „Er ist in der Bibliothek, und er weilt nicht mehr unter uns: Das ist schmerzhaft, denn seine Präsenz auf dieser Welt bereicherte unser Leben.“ Die Würdigung, die er jetzt erfährt, sollte allerdings keinen täuschen.

Die Gegenwart fürchtet eine prüfende Befragung

Alain Finkielkraut kritisiert: „Diese Vereinnahmung hat weniger mit Bewunderung zu tun als mit Vereinnahmung. Roth ist ein erklärter Feind von vielen, die ihn jetzt beweihräuchern.“ Das politisch Korrekte hat sich globalisiert und die Campus-Mauern überwunden, wie der französische Präsident kürzlich bezeugt hat. Es reicht für Alain Finkielkraut nicht, Philip Roth zu feiern, man muss auch bereit sein, sich von ihm lesen zu lassen: „Unsere Zeit ist sich ihrer kritischen Tugenden zu gewiss und zu stolz, sich einer prüfenden Befragung auszusetzen.“

Also verneigt man sich vor dem großartigen Verstorbenen, aber was er geschrieben hat, ist ohne Bedeutung. Der „menschliche Makel“ benennt die Dinge, und doch nehmen sie unbeirrt ihren Lauf. Der Schriftsteller bellt, die Karawane zieht weiter. Alain Finkielkraut stellt fest: „In Schweden übt Elena Mitnik ungeteilt ihre Macht aus. Sie stößt auf keinen Widerstand, mühelos bringt sie die Gesellschaft zum Gleichschritt. Ihren Wünschen entspricht das Komitee für den Literaturnobelpreis.“ Jahr für Jahr lassen deshalb die Juroren die beiden größten Schriftsteller der Gegenwart, Philip Roth und Milan Kundera durchfallen. Quelle: „Vom Ende der Literatur“ von Alain Finkielkraut

Von Hans Klumbies