Reiche Menschen kann man leicht erkennen

Morgan Housel möchte klar zwischen vermögend und reich unterscheiden. Es geht dabei nicht um reine Semantik. Er betont: „Unzählige finanzielle Fehlentscheidungen rühren daher, dass Menschen den Unterschied nicht kennen.“ Reich bezieht sich auf ein aktuelles Einkommen. Jemand, der ein 100.000 Dollar Auto fährt, ist ziemlich sicher reich. Denn selbst wenn er es auf Kredit finanziert hat, braucht er ein gewisses monatliches Einkommen, um die Raten stemmen zu können. Das Gleiche gilt für Menschen, die in großen Häusern leben. Reiche lassen sich leicht ausmachen. Oft tun sie sogar alles, damit man sie als solche erkennt. Vermögen hingegen ist verborgen. Es besteht aus nichtausgegebenen Einkommen. Vermögen ist die noch nicht wahrgenommene Option, später in der Lage zu sein, etwas kaufen zu können. Morgan Housel ist Partner bei der Risikokapitalgesellschaft The Collaborative Fund.

Das Kapital der Vermögenden ist oft unsichtbar

Sein Wert liegt darin, dass es Menschen Möglichkeiten offenhält, Flexibilität verleiht und mit der Zeit wächst, bis sie sich eines Tages mehr leisten können als jetzt. Mit Reichtum und Vermögen verhält es sich ähnlich wie Sport und Diäten. Jeder weiß, wie schwer das Abnehmen fällt, selbst sportlichen Menschen. Sport treiben, das ist wie reich sein. Man glaubt: „Jetzt habe ich mich angestrengt und mir ein herzhaftes Mahl verdient.“ Vermögen bedeutet, auf dieses Essen zu verzichten und unter dem Strich Kalorien zu verbrennen.

Morgan Housel weiß: „Sich so zu verhalten, erfordert Selbstkontrolle und fällt uns deswegen schwer. Aber es erzeugt einen Puffer zwischen dem, was wir tun könnten und dem, was zu tun wir uns entscheiden, der im Lauf der Zeit immer größer wird.“ Verzicht fällt auch deswegen so schwer, weil man überall reiche Rollenvorbilder sieht. Die Vermögenden nimmt man hingegen nicht so wahr, weil ihr Kapital meist unsichtbar ist. Natürlich geben auch manche vermögenden Menschen jede Menge Geld für alles Erdenkliche aus.

Vermögende besitzen große Selbstbeherrschung

Doch selbst in solchen Fällen bemerkt man nur ihren Reichtum, nicht ihr Vermögen. Man sieht die Autos, die sie sich anschaffen, und die Privatschulen, auf die sie ihre Kinder schicken. Morgan Housel stellt fest: „Was wir nicht sehen: ihre Ersparnisse, ihre Altersvorsorge oder ihre Portfolien. Wir sehen die Häuser, die sie sich gekauft haben, nicht diejenigen, die sie sich im äußersten Fall hätten leisten können.“ Die Gefahr liegt laut Morgan Housel nach darin, dass die meisten Menschen im Grunde vermögend sein wollen.

Sie wünschen sich Freiheit und Flexibilität – eben das, was noch nicht ausgegebenes Kapital einem verschafft. Aber die Vorstellung, Geld zu besitzen, bedeute, Geld auszugeben, ist so tief in den meisten Menschen verankert, dass sie die Selbstbeherrschung übersehen, die es braucht, um vermögend zu werden. Morgan Housel erläutert: „Da wir die Selbstbeherrschung anderer nicht sehen, fällt es uns so schwer, diese Kunst von ihnen zu erlernen.“ Quelle: „Über die Psychologie des Geldes“ von Morgan Housel

Von Hans Klumbies