Die Kollapsologen sagen den Weltuntergang voraus

Das Titelthema des neuen Philosophie Magazins 04/2020 befasst sich mit dem Thema „Kollapsologie“. Diesen Begriff werden die Wenigsten bisher gehört haben. Pandemien sind ein Glied in einer Ereigniskette, die in naher Zukunft zum Zusammenbruch führt. Das behauptet eine Bewegung aus Frankreich, die sich auf den Untergang der Zivilisation vorbereitet. Ihre Anhänger nennen sich Kollapsologen. „Schwerwiegende und irreversible Schocks können sehr wohl bereits morgen auftreten“, schreiben die Namensgeber der Bewegung, Pablo Servigne und Raphaël Stevens. Für den Soziologen Harald Welzer ist das eine unerträgliche Schwarzmalerei. Ein Diskurs, der ein endgültiges Scheitern der Menschheit für wahrscheinlich oder gar für ausgemacht erklärt, habe ausschließlich destruktive Folgen: „Die Leute werden umso eskapistischer und zerstörerischer, je näher das Ende ihnen vor die Nase gehalten wird.“

Der Mensch ist im Grunde gut

Im Interview erklärt der Historiker Rutger Bregman, dass es im Interesse der Herrschenden liege, die menschliche Natur für schlecht zu halten. Die Annahme, dass der Mensch grundsätzlich egoistisch sei, ist tief im westlichen Denken verwurzelt. Rutger Bregman vertritt die These, dass es sich dabei um einen gefährlichen Irrglauben handelt. In seinem neuen Buch behauptet er, dass die meisten Menschen ein grundlegend falsches Bild von der menschlichen Natur haben. Die Menschen sind seiner Meinung nach nicht selbstsüchtig und gemein, sondern „im Grunde gut“.

Der Soziologe Hartmut Rosa analysiert in seinem Beitrag die Coronakrise, in der die gesellschaftliche Verwirrung und die Deutungsspielräume groß sind. Er stellt fest, dass die Entschleunigung, derzeit ein makrosoziales Faktum ist und keine rückwärtsgewandte Fantasie, wie Kritiker behaupten. Diese Entschleunigung ist das Ergebnis politischen Handelns, wobei es sich um eine Erfahrung der politischen Selbstwirksamkeit handelt. Diese Erfahrung kontrastiert scharf mit der bisherigen Erfahrung der Ohnmacht angesichts der Klimakrise, aber auch angesichts schreiend ungleicher Vermögens- und Verteilungsverhältnisse.

Susan Sontag huldigt dem modernen Dandy

Der leitende Redakteur des Philosophie Magazins, Nils Markwardt, weist auf die Macht des vorpolitischen Raumes hin. Dabei handelt es sich um Orte, wo Menschen sich freiwillig begegnen, um ganz nebenbei den informellen Diskurs der Demokratie zu betreiben: sich austauschen, streiten, gemeinsame Wertvorstellungen pflegen. In den vorpolitischen Räumen bestätigt sich seiner Meinung nach, dass in der Demokratie tatsächlich jeder zählt. Rassismus und Demokratiefeindlichkeit setzen sich nämlich immer dann durch, wenn nicht genug Menschen widersprechen. Ob im Stadion, in der Kneipe oder im Buchclub.

Zu ihrer Klassikerin hat das Philosophie Magazin diesmal die amerikanische Essayistin und Schriftstellerin Susan Sontag (1933 – 2004) auserkoren. Sie zählte in Amerika zu den einflussreichsten Stimmen ihrer Zeit. Stil ist alles, schrieb Susan Sontag in ihren Anmerkungen zu „Camp“, ein Text, der die Autorin schlagartig berühmt machte. Darin huldigt sie dem modernen Dandy als radikalem Ästheten und Zeitgenossen. In dem knapp 20-seitigen Essay dreht sich alles um eine spezielle Erlebnisweise. Unverkennbar modern ist dieses Erleben, ironisch, bewusst naiv, hedonistisch und kunstverliebt. Camp gleicht dabei einem ästhetischen Filter, der die Konventionen der Wahrnehmung außer Kraft setzt.

Von Hans Klumbies