In der Zeitung begegnet die Gesellschaft sich selbst

Die Bedeutung der Medien für die Demokratie, insbesondere der Druckmedien, ist bekannt und im Prinzip unbestritten. Seit einiger Zeit findet in der Medienwelt zwar ein Strukturwandel statt. Denn „Meinungen„ bilden sich zunehmend mehr in den neuen sozialen Medien. Mit einer Prise Optimismus darf man noch immer die Zeitung das Medium nennen, „in dem sich die bürgerliche Gesellschaft selbst begegnet, die Sphäre, in der sich Politik, Ökonomie und Kultur spiegeln“. Die für die Öffentlichkeit unverzichtbaren Medien sind nicht bloß ein Forum, auf dem Interessen und Meinungen zu Wort kommen. Otfried Höffe ergänzt: „Sie sind auch eine Arena, in der um Einfluss und Macht gestritten wird. Darüber hinaus sind sie eine kritische Instanz, vor der sich die gesamte Politik, einschließlich der Gerichtsbarkeit, zu rechtfertigen hat.“ Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

Die Pressefreiheit gehört zu den Freiheitsrechten

Als wesentlicher Teil einer Öffentlichkeit, die sie sowohl schaffen als auch sind, tragen die Medien demokratie- und freiheitstheoretisch gesehen eine mindestens vierdimensionale Verantwortung. Sieht man von der demokratieindifferenten Aufgabe der Unterhaltung ab, so sollen die Medien erstens den Bürger informieren. Zweitens ihm eine Plattform für die politische Debatte bereitstellen. Drittens die Macht der Mächtigen kontrollieren, dabei wo nötig Kritik üben und viertens rechtzeitig vor drohendem Unheil warnen.

Otfried Höffe stellt klar: „Weil ohne entsprechenden Medien keine Demokratie, namentlich keine partizipative Demokratie möglich ist, gehört die Pressefreiheit zu den für die politische Kultur wichtigsten Freiheitsrechten.“ Im Blick auf die vier Aufgabenfelder nennt man die Medien gern die vierte Gewalt. Ihrem Wesen nach konstituieren sie sich aber in Distanz zu den drei „offiziellen“ Gewalten. Das spricht gegen die Redeweise der vierten Gewalt. Auch fehlt es ihnen an Transparenz, überdies an der für öffentliche Gewalten üblichen demokratischen Legitimation.

Zeitungen besitzen die größte Glaubwürdigkeit

Als Teilhaber öffentlicher Macht sind die Medien freilich doch zu einer Gewalt, zumindest zu einer Quasigewalt geworden. Deren Macht ist sogar so weit gewachsen, dass sie, die früher im Wesentlichen nur Begleiter und Kontrolleur waren, zum Teilhaber öffentlicher Macht aufgestiegen sind. Wer an Aufklärung interessiert ist, findet immer noch ein erhebliches Maß des einschlägigen Journalismus. Nicht nur das ältere Publikum, selbst Jugendliche von 12 bis 19 Jahren bescheinigen den Zeitungen die größte Glaubwürdigkeit.

Dahinter steht eine Autorität, die man sich nur auf lange Sicht und dabei nur auf eine Art erwirbt: durch Wissen, Klugheit, Verlässlichkeit, durch freie begründete Urteile, die der Diskussion unterworfen werden. Aber es gilt auch: Auf Einschaltquoten und Auflagenhöhen erpicht, suchen Medien teils aus journalistischen, teils aus kommerziellen Gründen, Aufmerksamkeit. Otfried Höffe stellt fest: „Dieses Ziel wird durch Zuspitzung und Wecken von Emotionen erleichtert. Weshalb man die Gegenrichtung von Aufklärung, Aufregungen und Alarmismus, liebt.“ Quelle: „Kritik der Freiheit“ von Otfried Höffe

Von Hans Klumbies