Erfolg setzt sich aus Kompetenz und Glück zusammen

Viele Menschen versuchen, aus Misserfolgen und Erfolgen, die sie beobachten, zu lernen und ziehen dann ihre Schlüsse: „Tu, was sie tat, vermeide, was er tat.“ Hätte man eine Kristallkugel, könnte man genau sehen, zu welchen Anteil bestimmte Ergebnisse wiederholbaren Handlugen geschuldet waren. Und man könnte erkennen, welche Rolle schieres Glück beziehungsweise Pech gespielt hat. Aber der Mensch besitzt nur ein Gehirn, das einfache Antworten ohne große Nuancierungen bevorzugt. Morgan Housel ergänzt: „Dies erschwert es potenziell fürchterlich, nachahmenswerte Verhaltensweisen zu identifizieren.“ Morgan Housel erzählt die Geschichte eines enorm erfolgreichen Geschäftsmanns, von dem sich allerdings kaum sagen lässt, ob sich sein Erfolg aus seiner Kompetenz oder seinem Glück ergab. Sein Name ist Cornelius Vanderbilt. Morgan Housel ist Partner bei der Risikokapitalgesellschaft The Collaborative Fund.

Cornelius Vanderbilt missachtete die Gesetze

Cornelius Vanderbilt hatte gerade mit ein paar Zukäufen sein Schienenimperium weiter vergrößert. Einer seiner Berater beugte sich vor und verriet ihm, dass jede einzelne dieser Transaktionen gegen das Gesetz verstieß. „Meine Güte, John“, sagte Vanderbilt. „Du glaubst doch nicht, dass sich eine Eisenbahn betreiben lässt, wenn man alle Statuten des Staats New York befolgt, oder?“ Als Morgan Housel diese Worte las, schoss es ihm durch den Kopf: „Mit so einer Einstellung muss man ja Erfolg haben.“

Zu Cornelius Vanderbilts Zeiten passten die geltenden Gesetze einfach nicht zum aufkommenden Schienenverkehr. Also sagte er „zum Teufel mit ihnen“, zog sein Ding durch und wurde unfassbar reich. Daher mögen viele Menschen geneigt sein, seine notorische – und erfolgsentscheidende – Missachtung der Gesetze als weise zu betrachten. Dieser Visionär ließ sich von ein paar blöden Bestimmungen nicht aufhalten! Doch wie gefährlich ist ein solcher Schluss. Kein vernünftiger Mensch würde offenkundige Gesetzesverstöße als solides unternehmerisches Handeln bezeichnen.

John D. Rockefeller verhielt sich wie ein Dieb

Es ist leicht denkbar, wie Cornelius Vanderbilts Geschichte ganz anders geendet hätte. Nämlich er im Gefängnis und sein Imperium von Gerichten zerschlagen. Morgan Housel stellt fest: „Wir begegnen also einem Problem. Wir können Vanderbilt kaum dafür preisen, dass er Gesetze umging, und die Manager von Enron für das Gleiche verdammen. Vielleicht entging der eine nur mit Glück dem Arm des Gesetzes, während die anderen Pech hatten.“ Der Fall John D. Rockefeller liegt ähnlich.

Der Unternehmer brach ständig Gesetze. Ein Richter schimpfte einmal, das Unternehmen verhalten sich „nicht besser als jeder Dieb“. Historiker preisen dies oft als geschäftstüchtig. Vielleicht war es das. Aber wann kippt das Narrativ von „du lässt nicht zu, dass überholte Gesetze den Fortschritt aufhalten“ zu „du begehts ein Verbrechen“? Wie viel hätte gefehlt, und es hätte nicht geheißen „Rockefeller war ein Genie, versuche, aus seinen Erfolgen zu lernen“, sondern „Rockefeller war ein Gangster, versuche aus seinem Scheitern zu lernen“? Nur äußerst wenig. Quelle: „Über die Psychologie des Geldes“ von Morgan Housel

Von Hans Klumbies