Sparen ist scheinbar eine deutsche Tugend

Jedes Kind in Deutschland wird sehr früh mit dem Wert des Sparens konfrontiert. Dies nicht nur durch die eigenen Eltern. In Schulen, Vereinen und in der Öffentlichkeit legt man jedem Kind schon für den Wert und die Notwendigkeit des Sparens nahe. Vereine verschenken Sparschweine, die lokalen Volksbanken und Sparkassen geben den Erstklässlern ein Sparbuch mit ein paar Euro. Und die Eltern geben Taschengeld, von dem sie erwarten, dass das Kind zumindest einen Teil davon auf die hohe Kante legt. Marcel Fratzscher stellt fest: „In Umfragen geben ungewöhnlich viele Menschen an, Sparen sei eine Tugend, es sei enorm wichtig, und es gelte dies als Wert zu sichern.“ Marcel Fratzscher ist Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und Professor für Makroökonomie an der Humboldt-Universität zu Berlin.

Das Sparen gibt es seit den Anfängen der Zivilisationen

Dabei fragt man häufig nicht, wofür man sparen und wem dies wann zugutekommen soll. Kaum einen Wert hinterfragt man so wenig, und kaum eine Moral ist in Deutschland derart stark verwurzelt. Wieso ist das Sparen ein so zentraler Teil der deutschen Identität. Marcel Fratzscher weiß: „Sparen gibt es so lange, wie es Zivilisationen gibt. Die Institutionalisierung des Sparens lässt sich in Westeuropa bis ins 15. Jahrhundert zurückverfolgen.“ Damals waren es Franziskanermönche im Norden Italiens, die Pfandleihkassen gründeten. Nämlich die sogenannten „Berge der Barmherzigkeit“ oder „Monti di Pietà“.

Die Idee war es, ärmere Menschen in Notzeiten mit Krediten zu unterstützen. Das Grundmotiv in den ersten Jahrhunderten war also die Absicherung gegen Krisenzeiten, gegen Armut, Krankheit und Verlust der Lebensgrundlage. Und es war in diesen Zeiten insbesondere auch ein christliches Verhalten von Mönchen, Nonnen und anderen Gruppe. Sie bekundeten damit Solidarität zu bekunden und lebten sie vor. Die häufig gehörte Behauptung, der Protestantismus hätte eine wichtige Rolle für die Bedeutung des Sparens gespielt, lässt sich mit wissenschaftlichen Studien jedoch nicht überzeugend belegen.

Das Sparschwein gilt als Symbol des Sparens

Zwar gibt es einen Zusammenhang zwischen Bildung, wirtschaftlicher Entwicklung und Protestantismus im 16. und 17. Jahrhundert. Eine klare Beziehung zum Sparen gibt es jedoch nicht. Marcel Fratzscher blickt zurück: „Nach dem 18. Jahrhundert betonte man das Sparen zunehmen als Tugend im Verbund mit Ordnung, Pünktlichkeit und Reinlichkeit.“ Einen sparsamen Umgang, nicht nur mit Geld, sondern mit allen Habseligkeiten und Vermögen, betrachtete man als etwas Wichtiges und moralisch Gutes.

Marcel Fratzscher erklärt: „Aus dieser Zeit stammt auch das Sparschwein als Symbol des Sparens. Denn wer ein Schwein besaß, der galt als privilegiert und, zumindest in bescheidendem Maße, als vermögend.“ Und ein Schwein galt als Absicherung nicht nur gegen Hunger und Armut, sondern im Notfall auch zum Eintauschen für Medizin oder Schutz. Noch heute besitzt fast jeder zweite Deutsche ein Sparschwein. Und im Sprachgebrauch hat sich das Schwein als Symbol für Glück durchgesetzt – man hat eben „Schwein gehabt“. Quelle: „Geld oder Leben“ von Marcel Fratzscher

Von Hans Klumbies