Libellen sind wahre Luftakrobaten

„Teufelsnadeln“ nannte sie der Volksmund. Wahrscheinlich weil das blitzschnelle, zuckende Herumfliegen der Großlibellen die Menschen irritierte. Der lange, bei manchen Arten am Ende auffällige Bildungen tragende Körper mag den Eindruck erweckt haben, die Libellen könnten stechen. Zumal wenn sie den Hinterleib bogenförmig nach unten krümmten und damit ins Wasser stießen. Josef H. Reichholf weiß: „Das war aber nichts weiter als die Eiablage. Davor, oft auch im Flug, bildet das Paar einen Ring, der doppelt seltsam wirkt, weil sie in dieser Haltung auch fliegen und sich zum Tandem strecken können.“ Es dauerte lange, bis man erkannte, dass sich die Larven der Libellen im Wasser entwickeln. Josef H. Reichholf lehrte an der Technischen Universität München 30 Jahre lang Gewässerökologie und Naturschutz.

Die Artenvielfalt der Libellen ist gewaltig

Wer sich eine große Libellenlarve in ein mit Wasser gefülltes Glas oder in ein richtiges Aquarium holte, mag erstaunt festgestellt haben, dass sie mit „Rückstoßantrieb“ davonschwimmen kann. Und wie um die Kuriosität auf die Spitze zu treiben, fing sie plötzlich mit vorschnellender Fangmaske eine Kaulquappe oder einen kleinen Fisch. In der fernen Erdzeit des Karbon-Zeitalters hatte es Riesenlibellen mit um die 70 Zentimeter Flügelspannweite gegeben. Würden solche in der heutigen Zeit fliegen, könnte man sie für ein technisch perfekt gelungenes Modellflugzeug halten.

Josef H. Reichholf erläutert: „Libellen tragen auf ihrem Körper oft metallisch schimmernde, scharf gegliederte Farbmuster, an denen die verschiedenen Arten unterschieden werden können. Ihre Augen sind so riesig, dass ihr Kopf fast nur aus ihnen zu bestehen scheint.“ Doch es gibt mehr, was diese Insekten auszeichnet. Ihre Lebensweise und ihre Artenvielfalt lassen enorme Spezialisierungen erkennen. Libellen kommen von Quellbächen bis in den Mündungsbereich der Flüsse und von kleinen Tümpeln bis zu den Uferzonen großer Seen vor.

Erwachsene Libellen leben ziemlich lange

Manche vollführen weite Wanderungen. Eine Art, die tropische Wanderlibelle „Pantala flavescens“, überwindet dabei kontinentale Distanzen und erreicht gelegentlich sogar den Süden Europas. Libellen gehören als Insekten zur Gruppierung der sogenannten primären Wasserinsekten. Das sind solche Insekten, die in ihren Entwicklungsstadien ausschließlich im Wasser oder zumindest wassernah in sehr feuchtem Gelände leben. Josef H. Reichholf stellt fest: „Ihre Angehörigen sind nicht, wie Vertreter anderer, typischer Landinsekten, sekundär zum Leben am und im Wasser übergegangen.“

Das taten beispielsweise zahlreiche Wasserkäfer, die Wasserschmetterlinge und viele Mücken. Aber anders als die Stein-, Eintags- und Köcherfliegen leben die fertigen Libellen ziemlich lange. Dabei ernähren sie sich von Kleininsekten, die sie mit ihren Flugkünsten fangen. Sie nutzen die kleinen bis sehr kleinen Beutegrößen. Die Libellen vermitteln mit ihrer Körpergröße und Flugweise aufschlussreiche Hinweise darauf, dass fliegenden Insekten die Verfügbarkeit von Sauerstoff enge Größengrenzen setzt. Quelle: „Flussnatur“ von Josef H. Reichholf

Von Hans Klumbies