Kurt Tucholsky ist dem Erbe der Aufklärung verpflichtet (3. Teil)

Bereits im Jahr 1913 steigt Kurt Tucholsky zum wichtigsten Autor der „Schaubühne“ auf, obwohl es erst das erste Jahr seiner Mitarbeit ist. Er schreibt nicht nur unter seinem eigenen Namen, sondern auch unter den Pseudonymen Peter Panter, Theobald Tiger und Ignaz Wrobel. Kurt Tucholsky verbirgt sich hinter seinen verschiedenen Namen, sucht damit auch sein eigentliches, verletzliches Ich unsichtbar zu machen. Er legt auch falsche Spuren für die, die den Menschen Kurt Tucholsky hinter dem Schriftsteller suchen. Er ist ein Mann, der zwar in der Öffentlichkeit steht und doch meist Sehnsucht nach der Zurückgezogenheit hat, nach der Geborgenheit der Einsamkeit und Stille, die er sucht, während er sich aber gleichzeitig darüber beklagt, dass sein tiefstes Gefühl sei, immer allein zu sein.

Beim Ausbruch des 1. Weltkriegs verstummt Kurt Tucholsky

Kurt Tucholsky sehnt sich zwar nach einem Gegenüber, nach einem Du, lässt aber andere Menschen kaum an sich heran. Der Schriftsteller war Zeit seines Lebens ein Zerrissener. Liebes- und Lebenslust steht bei ihm neben qualvoller Resignation, die Bereitschaft zu ständiger Veränderung kämpft mit dem Wunsch nach Beständigkeit, hektische Betriebsamkeit konkurriert mit dem Verlangen nach Ruhe. In seinen Werken bleibt er immer dem Erbe der Aufklärung und des Humanismus verpflichtet. Dazu zählen auch zum Beispiel die sozialistischen Gesellschaftsentwürfe und die Psychoanalyse.

Im August 1914 bejubeln die Deutschen in patriotischer Besoffenheit den Ausbruch des 1. Weltkrieges. Angesichts des kaum vorstellbaren Ausbruchs von Patriotismus und Hass zerbrechen für Kurt Tucholsky die Wertmaßstäbe. Schlagartig verstummt er – veröffentlicht in dieser Zeit keine Zeile mehr. Für ihn ist der Krieg unvereinbar mit seinen Vorstellungen und am allerwenigsten ein Grund zum Jubeln. Der Humanismus und der Geist stehen in jener Zeit nicht besonders hoch im Kurs. Innerlich hatte Kurt Tucholsky mit diesem Krieg nichts zu tun.

Der Einzelne ist im Krieg eine Null

Dennoch muss der Schriftsteller im April 1915 als Armierungssoldat ins Memelgebiet, direkt an die Front. Ganz schlimm empfindet Kurt Tucholsky in dieser Zeit der Zwang der Unterordnung. Doch schon bald bekommt er einen Posten in der Schreibstube. Von nun an führt er ein verhältnismäßig friedliches Leben. Er versucht sich mit dem Soldatenleben zu arrangieren. Kurt Tucholsky sagt: „Es habe keinen Zweck, gegen die Macht des Militärs den kindlichen Willen des Ungehorsams zu stellen. Der Einzelne sei im Krieg eine Null.“

Im August des Jahres 1916 wird seine Einheit nach Kurland verlegt, wo eine Fliegerschule für 4.000 Mann entsteht. Hier fand Kurt Tucholsky endlich einen sicheren Posten. Als Schreiber des Stabes übernimmt er die Bibliothek, die Druckerei und gründet die Feld-Zeitung „Der Flieger“. Ansonsten versucht er ein halbwegs zivilisiertes Leben zu führen und beschäftigt sich vor allem mit der Philosophie. Er liest zum Beispiel Arthur Schopenhauer und Georg Büchner. Quelle: Kurt Tucholsky von Michael Hepp, Rowohlt Verlag, 5. Auflage 2013

Von Hans Klumbies