Die Kluft zwischen arm und reich steigt

Extreme Ungleichheit ist kein Naturgesetz. Sie ist die Folge einer Politik, die Profite vor Menschen stellt. Um Ungleichheit zu reduzieren, müssen Regierungen für eine faire Besteuerung sorgen. Zudem müssen sie in öffentliche soziale Dienste investieren und die Benachteiligung von Frauen beseitigen. Klaus Peter Hufer weiß: „Die Kluft zwischen Arm und Reich steigt nicht nur weltweit, sondern auch innerhalb der reichen Länder des Westens und des Nordens.“ Im Jahr 2018 verfügten 26 Personen über ebenso viel Vermögen wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung. Das sind 3,8 Milliarden Menschen. Der britische Wirtschaftswissenschaftler Paul Collier stellt fest: „Der Kapitalismus löst sein wichtigstes Versprechen – einen ständig steigenden Lebensstandard für alle – immer weniger ein. Einige profitieren weiterhin, aber andere wurden abgehängt.“ Klaus-Peter Hufer promovierte 1984 in Politikwissenschaften, 2001 folgte die Habilitation in Erziehungswissenschaften. Danach lehrte er als außerplanmäßiger Professor an der Uni Duisburg-Essen.

Alle Menschen sehnen sich nach Glück

Dabei gibt es aufschlussreiche Belege dafür, dass es den Menschen besser geht, je gerechter die Gesellschaft ist, in der sie leben. Soziale Ungleichheit dagegen bedeutet für die entsprechenden Gesellschaften: Ängste, Depressionen, Krankheiten, Stress, Verwahrlosung, Rassismus und Gewalt. Wichtig ist, dass Gleichheit nicht nur den Armen, sondern allen zugutekommt. Der Rechtswissenschaftler Hans Kelsen (1881 – 1973) definiert Gerechtigkeit so: „Gerechtigkeit ist in erster Linie eine mögliche aber nicht notwendige Eigenschaft einer gesellschaftlichen Ordnung.“

Hans Kelsen fährt fort: „Nur in zweiter Linie ist Gerechtigkeit eine Tugend des Menschen. Denn ein Mensch ist gerecht, wenn sein Verhalten einer Ordnung entspricht, die als gerecht gilt.“ Was bedeutet aber, dass eine Ordnung gerecht ist? Dass diese Ordnung das Verhalten der Menschen in einer Weise regelt, die alle befriedigt. So können alle ihr Glück unter ihr finden. Die Sehnsucht nach Gerechtigkeit ist des Menschen ewige Sehnsucht nach Glück. Da er dieses Glück nicht als isoliertes Individuum finden kann, sucht er es in der Gesellschaft.

In einer gerechten Gesellschaft leben mehr glückliche Menschen

Die Gerechtigkeit ist das gesellschaftliche Glück, sie ist das Glück, das eine gesellschaftliche Ordnung garantiert. Klaus-Peter Hufer betont: „Dieser Exkurs zur Frage der Gerechtigkeit macht einmal mehr deutlich, dass in einer gerechten Gesellschaft per definitionem glückliche Menschen leben als in einer ungerechten Gesellschaft.“ Einem Staat, der das ermöglicht, kommt eine höhere Loyalität seiner Bürger zu als einem Staat, der Ungerechtigkeit begünstigt.

Mit Widerstand gegen die jeweilige Politik ist im ersten Fall weniger zu rechnen, im zweiten aber mehr. Es ist für Klaus-Peter Hufer auch deutlich geworden, dass in ungerechten Gesellschaften die individuelle und strukturelle Gewalt größer ist als in gerechten Gesellschaften. Das ist auch für das Thema „Zivilcourage“ von einiger Bedeutung. Ob sie mehr oder weniger notwendig ist, lässt sich von der politischen Systemfrage nicht trennen. Trotzdem muss die Frage offenbleiben, wo genau die Maßstäbe für legitimen Widerstand liegen. Quelle: „Zivilcourage“ von Klaus-Peter Hufer

Von Hans Klumbies

Schreibe einen Kommentar