Auch normale Menschen genießen Grausamkeiten

Laut der Sozialpsychologen Roy Baumeister und Keith Campbell stellt der „Sadismus, definiert als das unmittelbare Erleben von Lust durch das Quälen anderer, den offensichtlichsten intrinsischen Anreiz zu bösen Taten dar“. Julia Shaw stellt fest: „Sie argumentieren, dass das Vorhandensein von Sadismus alle anderen Theorien oder Erklärungen des Bösen obsolet macht; sie meinen also, man brauche keine anderen Theorien des Bösen, Sadismus sei immer der Grund, warum Menschen Böses tun.“ Roy Baumeister und Keith Campbell schreiben: „Die Leute tun es, weil es sich gut anfühlt; mehr brauchen wir dazu nicht zu sagen.“ Erin Buckels und Kollegen argumentieren ebenfalls, dass Sadismus eigentlich ziemlich normal sei. Sie behaupten, dass „derzeitige Auffassungen von Sadismus selten über jene von sexuellen Fetischen hinausgehen.“ Julia Shaw forscht am University College London im Bereich der Rechtspsychologie, Erinnerung und Künstlicher Intelligenz.

Die Aggression gehört scheinbar zum Sadismus dazu

Erin Buckels und Kollegen schreiben: „Doch auch bei offensichtlich normalen Menschen kommt es vor, dass sie Grausamkeit genießen … Diese gewöhnlichen Manifestationen von Grausamkeit implizieren eine subklinische Form des Sadismus oder einfach alltäglichen Sadismus. Erin Buckels und Kollegen meinen, dass sich die Menschen selbst besser kennenlernen müssen, wenn sie zu einem wirklichen Verständnis von Sadismus gelangen wollen.

Erin Buckels und Kollegen schreiben: „Um das Phänomen Sadismus vollständig zu erfassen, müssen wir uns seine Alltäglichkeit und überraschende Häufigkeit eingestehen.“ Welches sind die Gemeinsamkeiten dieser sadistischen Verhaltensweisen? Eine nicht immer, aber häufig auftauchende Begleiterscheinung von Sadismus ist die Aggression. Wenn man Mensch oder Tier wehtut, handelt man nicht unbedingt immer, aber eben oft aggressiv. Wenn man aus einer Sache ein großes sadistisches Vergnügen ziehen will, gehört die Aggression dazu, wie es scheint.

Das Gefühl der „süßen Aggression“ scheint ziemlich normal zu sein

Etwas, was sadistische Neigungen überraschenderweise zum Vorschein zu bringen scheint, ist die Anwesenheit niedlicher Tiere. Julia Shaw erläutert: „Einige Tiere sind einfach so süß, dass wir den leichten Wunsch verspüren, ihnen wehzutun.“ Warum ist das so? Forscher versichern, dass die meisten Menschen diesen Tieren nicht wirklich Schaden zufügen wollen, sodass diese Emotionen nicht auf ein tiefes, dunkles, im Inneren lauerndes Geheimnis hindeuten. Sie lieben „Fluffy“ einfach nur „hart“ und wollen ihm nicht wirklich wehtun.

Das erklärt jedoch nicht, warum das Gehirn einen Menschen mit einer quasiaggressiven Reaktion lockt und quält. Julia Shaw weiß: „Dieses Gefühl, Dingen wehzutun, die wir süß finden, ist so verbreitet, dass es einen Begriff dafür gibt – cute aggression.“ Wenn man Bilder von kleinen Kätzchen online sieht, hält sich die cute aggression noch im Rahmen, aber es wirklich mit ihnen zu tun zu haben, scheint für viele Menschen einfach zu viel zu sein. Das Gefühl der „süßen Aggression“ scheint ziemlich normal zu sein und ist nicht völlig überraschend. Quelle: „Böse“ von Julia Shaw

Von Hans Klumbies