Die Chipbranche macht 500 Milliarden Dollar Umsatz

Für Adam Smith war die Effizienz das Ziel, nach dem der Homo oeconomicus strebt und dem sich die Gesellschaft zu unterwerfen hat. Am 14. Mai 2021 druckte die „New York Times“ einen Gastbeitrag des Wirtschaftswissenschaftlers Alex T. Williams. Der Artikel handelte von der weltweiten Knappheit in der Lieferkette der Halbleiterproduktion. Jeremy Rifkin erläutert: „Dabei handelt es sich um die winzigen Mikrochips, die in den unzähligen Prozessen und Produkten unserer intelligenten digitalen Welt Verwendung finden. Die Halbleiterbranche macht pro Jahr 500 Milliarden Dollar Umsatz.“ Um zu verstehen, wie ernst das Problem ist, reicht ein Blick auf den Autohersteller Ford. Der Konzern rechnete aufgrund der aktuellen Halbleiter-Knappheit mit Einbußen von 2,5 Milliarden Dollar. Jeremy Rifkin ist einer der bekanntesten gesellschaftlichen Vordenker. Er ist Gründer und Vorsitzender der Foundation on Economic Trends in Washington.

Im Kapitalismus herrscht ein Konflikt zwischen Effizienz und Resilienz

Wenn man das auf die gesamte von Halbleitern abhängige Weltwirtschaft hochrechnet – von medizinischen Geräten bis zu Stromnetzen – bekommt man einen ungefähren Eindruck vom Ausmaß der Krise. In seinem Artikel nennt der Autor zwei Begriffe, welche die Krise im Kern erfassen. Diese verweisen auf einen grundlegenden Konflikt im Kapitalismus – dem unvermeidlichen Kompromiss zwischen Effizienz und Resilienz. Die internationale Halbleiterproduktion konzentriert sich heute auf einige wenige Großkonzerne.

Jeremy Rifkin stellt fest: „Die gigantischen Kosten, die der Bau von gewaltigen Halbleiterfabriken verschlingt, schmälert den Gewinn.“ Nur wenige, hocheffiziente Unternehmen haben es an die Spitze geschafft. Sie haben in sogenannte schlanke Logistik- und Zulieferketten investiert. Gleichzeitig haben sie kostspielige Puffer und andere Redundanzen ausgemerzt, die im Falle unerwarteter Schwierigkeiten einspringen könnten. So haben sie zum Beispiel die teure Lagerung von überzähligem Inventar genauso beseitigt wie zusätzliche Fertigungsstätten.

Die Effizienz herrscht um den Preis der Resilienz

Diese könnten kurzfristig Lücken schließen. Zudem wären zusätzliche Arbeitskräfte bei einer Störung rasch einsetzbar. Auch haben sie keine alternativen Lieferketten, auf die sie rasch wechseln könnten, um Lieferausfälle oder -engpässe aufzufangen. Dank ihrer schlanken Logistik- und Herstellungsverfahren haben sie ihre Betriebskosten gesenkt und ihre Effizienz gesteigert. So konnten die Marktführer der Halbleiterproduktion den Wettbewerb überleben, wenn auch auf Kosten ihrer Widerstandsfähigkeit und ihrer Anfälligkeit gegenüber unerwarteten Ereignissen.

Alex T. Williams verweist auf diesen offensichtlichen Widerspruch und fragt: „Was nutzt eine hypereffiziente, superschlanke Fertigung, wenn sie zum Beispiel durch eine Naturkatastrophe zerstört wird und es keinen Ersatz für die Prozessoren gibt, die sie herstellt.“ Jeremy Rifkin betont: „Unterm Strich herrscht die Effizienz, doch der Preis ist die Resilienz. Die Halbleiterkrise ist nicht das erste Ereignis, das in der Öffentlichkeit Zweifel an der Widerstandsfähigkeit der Wirtschaft nach natürlichen oder von Menschen verursachten Störungen aufkommen lässt.“ Quelle: „Das Zeitalter der Resilienz“ von Jeremy Rifkin

Von Hans Klumbies