Die Menschen sollen nach der Glückseligkeit streben

Der Erkenntnis kommt nach Immanuel Kant schon von Beginn an ein sprachlicher und gesellschaftlicher Charakter zu. Denn die Wahrheit kann sich erst in der Diskussion der Meinungen in der Auseinandersetzung zwischen prinzipiell gleichberechtigten Menschen konstituieren. Das Urteil eines Menschen muss sich dem Beurteilen des Urteils durch ein anderes Mitglied der Gesellschaft und dessen Begründung öffnen. Erst dadurch erhalten die Erkenntnis und die Verständigung über die Bedingungen einer möglichen Erkenntnis erst einen Charakter des Dialogs. Laut Immanuel Kant soll sich alles Handeln der Menschen auf die Realisierung des höchsten Guts abzielen.

Das Glück des Einzelnen hängt von den Mitmenschen und der Gesellschaft ab

Unter dem höchsten Gut versteht der Philosoph einen Zustand der Glückseligkeit und des Glücks, der dem Zustand des sittlichen Verdienstes angemessen ist. Obwohl das Glück als solches immer nur von einem einzelnen Menschen gesucht und gefunden werden kann, ist es doch in zweifacher Weise mit den Mitmenschen und damit mit der Gesellschaft verknüpft. Erstens können manche Wünsche nur durch andere Menschen erfüllt werden, wodurch die Gesellschaft ihren Teil zum Glück des Einzelnen beiträgt.

Zweitens sind durch die Gesellschaft die Rahmenbedingungen für die Moralität abgesteckt und somit die Bedingungen dafür, welches Glück sich als würdevoll bezeichnen darf. Für den Staat ist die Gesellschaft laut Immanuel Kant dessen Vorbedingung von Seiten der Natur her. Die Gesellschaft wird vom Prinzip der ungeselligen Geselligkeit des Menschen begründet. Unter ungeselliger Geselligkeit versteht Immanuel Kant, dass der Mensch einerseits danach strebt, sich mit anderen zusammenzutun, weil er nur im sozialen Kontakt mit anderen seine Naturanlagen ganz entfalten kann.

Der Mensch entwickelt seine Fähigkeiten durch Süchte

Andererseits unterliegt er dem großen Hang allein zu sein und sich von der Gesellschaft zu isolieren. Die Neigung zum Kontakt zu den Mitmenschen wird also ständig von einer untrennbaren Gegenbewegung untergraben. Der Grund liegt darin, dass er Mensch alles nur nach seinem Sinne richten will. Immanuel Kant beschreibt drei konkrete Antriebe dafür, dass der Mensch seine Fähigkeiten entwickelt. Er zählt dazu die Ehrsucht, die Herrschsucht und die Habsucht.

An ihnen zeigt er die doppelten Bestrebungen der ungeselligen Gesellschaft. Die Begierde nach Ruhm löst beispielsweise ein Verhalten aus, das die Mitmenschen belastet. Sie kann allerdings auch nur dann befriedigt werden, wenn sich der Ruhmsüchtige durch gewisse Erfolge in den Augen seiner Mitmenschen ausgezeichnet hat. Der Philosoph sagt, dass die Ehrsucht wie die beiden anderen Süchte die Mitmenschen nicht wohl leiden können, aber auch nicht von ihnen lassen können.

Die Dynamik der ungeselligen Gesellschaft ist nicht dazu verdammt, immer nur dasselbe in anderer Gestalt hervorzubringen. Wenn ständig Not und Unsicherheit in einer Gesellschaft herrschen, ausgelöst durch das Gegenspiel der natürlichen Kräfte wie Neigungen und Bedürfnisse, werden die Menschen früher oder später auf die Stimme der praktischen Vernunft hören und ein Modell staatlicher Rechtsordnung entwickeln, aus dem ein Rechtsstaat entstehen kann.

Von Hans Klumbies