Die Goldenen Zwanziger waren eine Zeit der Euphorie

Während sich Europa bemühte, die Rechnung des Ersten Weltkriegs zu begleichen, tötete die Spanische Grippe mehr als 100 Millionen Menschen. Das schwächte die wirtschaftliche Produktion zusätzlich. Dennoch folgte mit den Goldenen Zwanzigern eine Zeit der Euphorie, der wirtschaftlichen und technischen Innovationen. Zum Beispiel die Massenproduktion von Radios, Haushaltsgeräten und Autos und der Aufstieg des Tonfilms. Nouriel Roubini blickt zurück: „Im Aufschwung der Börse gingen die Anzeichen von Spekulationsblasen und Überschuldung unter. Wie wir wissen, nahm die Sache kein gutes Ende: Die verfehlte Politik nach dem Börsenkrach des Jahres 1929 führte in die Weltwirtschaftskrise der 1930er.“ Mag sein, dass sich die Geschichte nicht wiederholt, aber sie reimt sich oft, wie Mark Twain wusste. Nouriel Roubini ist einer der gefragtesten Wirtschaftsexperten der Gegenwart. Er leitet Roubini Global Economics, ein Unternehmen für Kapitalmarkt- und Wirtschaftsanalysen.

Die Wachstumsaussichten sind trübe

Die Anzeichen mehren sich, dass die 2020er ein weiteres Goldenes Jahrzehnt werden könnten. Konjunkturmaßnahmen in gewaltigem Umfang nähren Spekulationsblasen auf den globalen Märkten. Die Realwirtschaft wird einen Aufschwung erleben, getragen von leicht verfügbaren Krediten, niedrigen Zinsen und umfangreichen staatlichen Konjunkturpaketen. Die Party geht so lange weiter, bis die leichtfertige Spekulation nicht mehr tragbar ist. Urplötzlich und ohne Vorwarnung endet dann die Hochstimmung.

In diesem sogenannten Minsky-Moment wachen die Markteilnehmer mit einem Mal auf und erkennen, dass sie dem irrationalen Überschwang erlegen sind. Die Stimmung kippt, die Blase platzt, und der Krach folgt auf dem Fuß. Nouriel Roubini erläutert: „Blasen sind noch immer geplatzt, doch diesmal wird das Ausmaß alles bisher Dagewesene übertreffen. Industrie- und Schwellenländer stehen tiefer in der Kreide als je zuvor. Die Wachstumsaussichten sind trübe, der Aufschwung nach der Corona-Rezession verläuft holprig und wird sich im Laufe der Zeit weiter verlangsamen.“

Wie 1929 könnte der gesamte Markt zusammenbrechen

Die Politik hat sämtliche Mittel der Geld- und Finanzpolitik ausgeschöpft, und ihr bleiben kaum noch Pfeile im Köcher. Der nächste Akt dieses wirtschaftlichen Dramas hat höchstwahrscheinlich wenig Ähnlichkeit mit früheren Krisen haben. Niemand kann vorhersehen, was das nächste Beben auslöst. Selbst wenn die Baisse an der Börse während der ersten Hälfte des Jahres 2022 andeutete, dass die aktuelle Blase vor dem Platzen steht. Es gibt eine ganze Reihe von Kandidaten.

Nouriel Roubini kennt sie: „Wie 1929 könnte der gesamte Markt zusammenbrechen. Der Anstieg der Inflation könnte die Notenbanken dazu zwingen, das Geld in drakonischer Weise zu verknappen, und damit einen unhaltbaren Zinsanstieg provozieren. Erreger, die vom Tier auf den Menschen übergehen, könnten in Zukunft häufigere und schwerere Pandemien auslösen.“ Unternehmer könnten in die Schuldenkrise geraten, wenn die Zinsen steigen und die Kredite nicht mehr bezahlbar sind. Zudem könnte eine neue Immobilienblase Hauseigentümer und Banken treffen. Quelle: „Megathreats“ von Nouriel Roubini

Von Hans Klumbies