Die ersten Universitäten entstanden in Bologna und Paris

Die Universität in Europa hatte ihre Anfänge um das Jahr 1200 in Bologna und in Paris, das als „Stadt der Weisheit“ gerühmt wurde und bald alle anderen Denkorte Frankreichs, zeitweilig ganz Europas, überragte. Sie stellte die klerikalen Schulen in den Schatten, verdrängte sie aber nicht. Gelegentlich mag eine bereits existierende Rechts- oder Theologenschule den Anknüpfungspunkt geboten haben. Bernd Roeck erklärt: „So erwuchs die Universität von Bologna aus einer lokalen Juristenschule. Ihr Aufstieg wurde durch eine Mischung von Standortvorteilen, etwa der Lage an einer wichtigen Passstraße über den Apennin, und Zufällen wie der Präsenz kluger Köpfe begünstigt. Entscheidend waren die Rahmenbedingungen.“ Bernd Roeck ist seit 1999 Professor für Neuere Geschichte an der Universität Zürich und einer der besten Kenner der europäischen Renaissance.

Bologna entwickelte sich zu einer Hochburg römischer Rechtskunst

Es bedurfte damals eines Rechtswesens, das der immer komplizierter werdenden Geschäfte mit Waren und Wechseln, Grundstücken und Häusern Herr werden konnte. Geburtshelfer der neuen Institution waren also Juristen. Hier im Ambiente der italienischen Kommunen, des Handels, der Arbeitsteilung und expandierender Geldwirtschaft gab es schon länger eine wachsende Zahl privater Ausbildungsstätten, weil Kloster- und Domschulen den Bedarf an Schreibfertigkeit und juristischem Wissen nicht mehr befriedigen konnten.

Ein Ausdruck des Triumphs der Jurisprudenz war die zunehmende Bedeutung von Notaren. Ursprünglich schlichte Stenographen am Hof der römischen Kaiser, arbeiteten sie im Frühmittelter zunächst als Schreiber öffentlicher wie privater Dokumente. Seit dem 11. Jahrhundert nahm ihre Zahl sprunghaft zu. Man brauchte sie, um Testamente und Geschäfte aller Art zu protokollieren und zu beglaubigen. Vor allem Bologna entwickelte sich zu einer Hochburg römischer Rechtskunst. Ganz vergessen war das Ius Romanum allerdings hier wie anderswo nie gewesen.

Das Prinzip des römischen Rechts ist die Vernunft

Die Rezeption des römischen Rechts in Italien und dann in Frankreich, wo Ludwig der Heilige als dessen Advokat hervortrat, war die wichtigste Wiedergeburt vor der eigentlichen Renaissance. Seine Prinzipien entsprachen „reiner Vernunft“. Die klassischen Juristen hatten Fachbegriffe gebildet, die es gestatteten, Verfahrensregeln und Streitgegenstände zu erfassen. Jurisprudenz wurde, mit einem Wort, Wissenschaft. Mit dem alten, neuen Recht zu arbeiten erforderte handwerkliche Fertigkeiten, Spezialkenntnisse, kritischen Zugriff. Hilfreich war Logik, mit Aristoteles als wichtigstem Autor.

Dazu drangen Dialektik und Rhetorik oder zumindest die „ars dictaminis“ vor, die Kunst, Briefe und Urkunden korrekt abzufassen. Selbstverständlich durften auch Lateinkenntnisse nicht fehlen. So konnte das juristische Geschäft nicht mehr nebenbei betrieben werden. Es wurde zum Beruf und der gelernte Jurist zu einer neuen Erscheinung an den Höfen und in den arbeitsteiligen Stadtgesellschaften. Zu seiner Ausbildung bedurfte es zusehends mehrerer Spezialisten, die sich mit ihren Schülern zu Gemeinschaften zusammenfanden. Solche „universitates“ von Magistern und Scholaren gaben der neuen Institution den Namen. Quelle: „Der Morgen der Welt“ von Bernd Roeck

Von Hans Klumbies